Seit uns Onkel Gerhard seinerzeit einen batteriebetriebenen Tischstaubsauger geschenkt hat, besitzt Weihnachten für uns auch wieder eine christliche Bedeutung. Zumindest bei der Auswahl der Geschenke. Hier orientieren wir uns seitdem vornehmlich am alten Testament. "Auge um Auge...", heißt unsere Devise: Wir notieren uns nach der Bescherung, was wir von wem in welchem Wert bekommen haben. Das ist sehr praktisch. Denn im nächsten Jahr können wir anhand dieser Notizen in aller Ruhe überlegen, wem wir was womit vergelten.
Der Tischstaubsauger von Onkel Gerhard sah aus wie eines jener Präsente, die man auf Kaffeefahrten als Mitbringsel umsonst bekommt: wie eine Wurst mit Lüftungsschlitzen nämlich oder wie ein übergroßes Handy ohne Display oder Tastatur. Wir revanchierten uns im Jahr darauf mit zwei Plastikbuchstützen in Form röhrender Hirsche. Onkel Gerhard ist ein höflicher Mensch und hat sich sehr gefreut.
Den Schwiegereltern geben wir meist Geld. Das ist nicht unpersönlicher als die Geschenkgutscheine, die wir von ihnen jedes Jahr beziehen. Immer nur für Bettwäsche, was wiederum sehr praktisch ist, denn diese Bettwäsche verschenken wir im nächsten Jahr originalverpackt gleich weiter - ein Verfahren, das uns eine Menge Zeit und Geld erspart.
Auch Schwägerin Monika, die alles hat und nichts mehr braucht, erhält von uns stets einen Schein. Dabei stellt sich uns in jedem Jahr die Frage: Wie wickelt man eigentlich einen Geldschein ein? Denn einen Geldschein quasi nackt und ohne jegliche Verpackung zu verschenken, das ist dem Fest der Feste wenig angemessen!
Letztes Jahr erhielt die Schwägerin ihren Schein in einem Scherzpaket - ein großer Pappkarton gefüllt mit alten Zeitungen, zwischen denen sich der Schein verbarg. Schwägerin Monika hatte mit der Geldscheinsuche den ganzen Abend lang zu tun. Womöglich würde sie noch heute suchen, hätte meine Frau den Schein nicht selbst gefunden - an Silvester oben auf dem Küchenschrank - bei uns...
Ein solcher Fauxpas kann uns bei den anderen Familienmitgliedern nicht passieren. Denn die erhalten ihre Scheine immer liebevoll gefaltet. Die fünf Zehn-Euro-Scheine für meinen Bruder Franz hatten wir zum Beispiel zu einem Oberhemd gefaltet. Das sah so süß aus, dass uns Franz versprach, das Geld nie auszugeben, um dieses Kunstwerk nicht kaputt zu machen.
Ebenfalls fünf Scheine bekam im letzten Jahr die Schwiegermutter, gefaltet nicht zu Oberhemden oder Käseecken wie für meine Schwester Gisela, nein, die Schwiegermama bekam eine Christbaumspitze, gebastelt aus fünf Zehnern. Wir waren richtig stolz, als wir die Christbaumspitze gleich am Weihnachtsbaum der Schwiegereltern prunken sahen. Dass der Stern sich später etwas neigte, war das etwa unsere Schuld?! Und als der Geldstern Feuer fing, war ich der erste, der laut "Feuer!" schrie.
Vor dem Schenken kommt das Denken! Deshalb verzichten wir in diesem Jahr aus Umweltgründen total auf weihnachtliches Glanzpapier. Das Kochbuch für Cousine Rita schlagen wir nett in ein Geschirrtuch ein, der Billigsekt für Onkel Gerhard kommt gut in einem selbstgestrickten Strumpf, und die Präsente für die Kinder werden hübsch mit Esspapier umhüllt.
Schon im letzten Jahr hatte meine Schwiegermutter die Geschenke für die Kinder so umweltfreundlich eingewickelt. Unser Jüngster erhielt von ihr zum Beispiel eine Packung Holzbuntstifte, eingepackt in Esspapier, und obendrein noch einen Schoko-Weihnachtsmann, dem sie einen Geldschein als Schürze umgebunden hatte. Der Schein war als Zuschuss für das Dreirad gedacht, das unser Kleiner nach dem Fest bekommen sollte. Leider unterlief dem Jungen dann ein kleiner Irrtum, den wir erst merkten, als er das Esspapier in seine Spardose stecken wollte. Den Geldschein hatte er bereits verzehrt.
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