Der Mann im grauen Mantel zog die Tür zu Harrys Zugabteil auf und fragte, ob noch Plätze frei seien. "Das ganze Abteil", erwiderte Harry. Bevor der Mann Platz nahm, wandte er sich an seinen Sohn und sagte streng: "Du bleibst wie immer draußen!"
Der Zug fuhr an, und Harry schaute mit sorgenvoller Miene aus dem Fenster. Regen war erst für den Abend angesagt. Doch schon jetzt zogen am Horizont dunkle Wolken auf.
"Das Wetter hält", erklärte Harrys Abteilnachbar, als hätte er Harrys Gedanken erraten. Dann räusperte er sich und fragte: "Fahren Sie diese Strecke öfter?"
"Gelegentlich", antwortete Harry knapp. Er hatte keine Lust auf ein Gespräch.
"Dann wissen Sie wohl auch, dass man auf dieser Strecke besonders billig fahren kann", fuhr der Mann unbeirrt fort. "Ein Fahrschein reicht hier gleich für zwei Personen!"
"Ein ermäßigter Fahrpreis für Vater und Sohn?"
Der Mann lachte lauthals auf. Dann senkte er die Stimme. "Nein, nein, ich reduziere meinen Fahrpreis selbst! Mein Sohn und ich, wir fahren beide nur auf einem Fahrschein!"
Harry fragte verwundert nach, wie das denn zu verstehen sei. Da hob der Mann den Kopf ein wenig an und murmelte geheimnisvoll: "Warten Sie's nur ab!"
Der Sohn des Mannes hatte die ganze Zeit über vor dem Abteil auf dem Gang gestanden. Jetzt zog er die Abteiltür auf und gab das Signal: "Der Schaffner kommt!"
Sein Vater sprang auf. "Wir sind ein gutes Team!", grinste er und verließ eilig das Abteil. Harry blickte ihm neugierig nach und sah, wie Vater und Sohn auf der Zugtoilette am Ende des Ganges verschwanden. Kurz darauf kam der Schaffner und kontrollierte Harrys Fahrschein. Danach ging er den Gang hinunter bis zur Zugtoilette, klopfte dreimal an die verschlossene Tür und rief: "Ihren Fahrschein, bitte!"
Einen Moment lang rührte sich nichts. Dann wurde unter der Tür ein Fahrschein durchgeschoben. Der Schaffner kontrollierte ihn und schob ihn auf dem gleichen Weg zurück.
Als der Schaffner im nächsten Waggon verschwunden war, kamen Vater und Sohn ins Abteil zurück.
"Meinen Sie nicht, dass Sie für Ihren Sohn ein schlechtes Vorbild sind?", fragte Harry, als sich der Mann wieder ihm gegenüber niedergelassen hatte.
"Hören Sie", gab der Mann gereizt zurück. "Will man es zu etwas bringen, muss man beizeiten lernen, wie man sparsam durchs Leben kommt! Deshalb ist der Fahrscheintrick für meinen Sohn nur eine praktische Lektion in Sachen Sparsamkeit!"
Auf der Rückfahrt traf Harry Vater und Sohn wieder. Harry grüßte, doch der Mann nickte nur unwirsch zurück. Trotzdem setzte sich Harry zu ihm ins Abteil. Der Sohn hielt wie auf der Hinfahrt Wache auf dem Gang.
"Sie hatten Recht", begann nunmehr Harry das Gespräch. "Das Wetter hat gehalten." Dann senkte er die Stimme und fragte: "Sie fahren beide wieder nur auf einem Fahrschein?"
Diesmal war es der Mann, der keine Lust auf ein Gespräch hatte. Er sagte nichts und nickte nur.
"Ich fahre noch billiger als Sie", fuhr Harry dennoch fort. "Ich zahle nämlich überhaupt nichts!"
"Sie fahren völlig ohne Fahrschein?", stieß der Mann verwundert hervor. "Das kann aber reichlich teuer werden!"
"Nicht, wenn man es klug anstellt", erklärte Harry. Und als der Mann neugierig nachfragte, wie das denn zu verstehen sei, hob Harry selbstbewusst den Kopf ein wenig an und murmelte geheimnisvoll: "Warten Sie's nur ab!"
Kurz darauf meldete der Sohn den Schaffner. Der Vater sprang auf, und beide verschwanden wieder auf der Zugtoilette. Noch bevor der Schaffner kam, verließ auch Harry das Abteil. Vor der Zugtoilette blieb er stehen, klopfte dreimal an die Tür und rief mit tiefer, amtlich klingender Stimme: "Ihren Fahrschein, bitte!"
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