Nie mehr im Verkehrsstau stecken! Ginge es nach Microsoft, wäre dieser Wunschtraum bald schon Wirklichkeit. Denn die Redmonder Softwarefirma hat ein webbasiertes System entwickelt, mit dessen Hilfe es für Autofahrer künftig möglich werden soll, jedem Verkehrsstau auszuweichen und die jeweils günstigste und schnellste Route zwischen zwei Punkten auszuwählen. Das System namens Clearflow basiert auf einer komplexen Software, die von einem Microsoft-Team entwickelt wurde, das sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigt. Es sei der ambitionierte Versuch, Methoden des maschinellen Lernens auf das Problem der Verkehrsstaus anzuwenden, schreibt die New York Times.
Vom Regen in die Traufe
Das System, das Microsoft in diesen Tagen offiziell vorstellen will, soll die komplexen Vorgänge, die zu Staus führen, vollständig erfassen – nicht nur auf den Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen, sondern auch auf den Nebenstrecken. Denn die herkömmlichen Verkehrswarnungen und Umleitungsempfehlungen berücksichtigen nicht, dass bereits ein relativ geringfügig erhöhtes Verkehrsaufkommen auf Nebenstrecken zu langen Staus führen kann. Wer den Umleitungsempfehlungen folgt, gerät deshalb vielfach vom Regen in die Traufe.
Waffe gegen Google
Das Clearflow-System wird von Microsoft kostenlos angeboten. Derzeit soll es nur in den USA zur Verfügung stehen – und hier auch nur für eine begrenzte Anzahl von Städten. Immerhin soll es Microsoft zufolge bereits für 72 US-Städte funktionieren. Mit mobilen Endgeräten können Autofahrer auf die bereitgestellten Informationen zugreifen. Der neue Service ist Teil jener Strategie, mit der Microsoft versucht, am Thron des Suchmaschinenprimus Google zu sägen. Indem die Redmonder Konzernstrategen um ihr Suchportal Live Search herum attraktive kostenlose Dienste anbieten, hoffen sie, mehr Suchmaschinennutzer auf ihre Suchseite zu ziehen und Google dadurch Marktanteile abzujagen.
Das System muss funktionieren
Diese Strategie könnte durchaus aufgehen, sagen Branchenkenner wie Greg Sterling von der kalifornischen Beratungsfirma Sterling Market Intelligence. Voraussetzung sei jedoch, dass die Autofahrer dadurch wirklich einen messbaren Zusatznutzen hätten. Mit anderen Worten: Das System muss auch wirklich funktionieren.
Ideen im Stau
Erdacht und zu großen Teilen entwickelt wurde das neue Verkehrsleitsystem von Eric Horvitz, bei Microsoft zuständig für den Forschungsbereich Künstliche Intelligenz. Die Idee zu Clearflow sei ihm gekommen, als er selbst in einem Stau gesteckt habe und einer Umleitungsempfehlung gefolgt sei, erklärte der Forscher gegenüber der New York Times. Das Ergebnis sei ein Albtraum gewesen. Der Stau auf der Nebenstrecke habe sich als wesentlich schlimmer herausgestellt als der Verkehrsstau, dem Horvitz eigentlich hatte ausweichen wollen.
Verkehrsmodell in Seattle entwickelt
Wenn man eine Ausweichroute anbiete, dann müsse man die Verkehrssituation und die Kapazitäten der Straßen in der ganzen Stadt berücksichtigen, sagt Horvitz. Er entwickelte sein Verkehrsmodell zunächst nur für Seattle. In seine Berechnungen flossen die Daten von Microsoft-Angestellten ein, deren Fahrzeuge mit GPS-Geräten ausgestattet waren. Clearflow beruht auf Verkehrsdaten aus einem Zeitraum von vier Jahren und 16.500 Einzelfahrten, die zusammen genommen eine Strecke von 125.000 Meilen ergeben.
Der Praxistest beginnt
Anschließend hat Horvitz zusammen mit seinem Team das für Seattle entwickelte Modell auch auf andere US-Städte übertragen. In die Stauberechnungen fließen Verkehrszählungsdaten mit ein, die zu unterschiedliche Tageszeiten, unter verschiedenen Wetterbedingungen sowie beispielsweise unter den Verkehrsbedingungen von Großereignissen mit hohem Verkehrsaufkommen erhoben wurden. Ob das System auch wirklich funktioniert, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten erweisen, wenn jeder Autofahrer darauf zugreifen und einen eigenen Praxistest unter realen Bedingungen durchführen kann.
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