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11. Juni 2005:

Zensur oder Aufklärung?

Viele Suchmaschinen trennen ihre bezahlten Anzeigen noch immer nicht exakt genug von ihren Suchergebnissen. Darauf weist eine Studie der nichtkommerziellen US-amerikanischen Verbraucherschutzorganisation Consumers Union hin. Mängel weisen insbesondere die kleinen Suchmaschinen auf, während die Trennung zwischen Werbung und „objektiven“ Suchergebnissen bei Google, Yahoo und AOL Search insgesamt positiv bewertet wird. Auch deutsche Medienwissenschaftler haben sich wieder einmal mit dem Thema Qualität der Suchmaschinen beschäftigt. Ihnen ging es nicht um Werbung, ihnen ging es um Zensur und die Frage, ob die Suchmaschinen ihrem selbst auferlegten Verhaltenskodex gerecht werden. Mit anderen Worten: Kritisiert wurde, dass die Selbstzensur bei einigen Suchmaschinen nicht zufrieden stellend funktioniert.

Suchmaschinen auf der Suche…
Suchmaschinen finanzieren sich durch Werbung. Sie präsentieren ihren Nutzern neben den gewünschten Suchergebnissen immer auch zur Sucheingabe passende Werbelinks. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn die Trennung zwischen bezahlter Werbung und „objektiven“ Suchergebnissen so eindeutig ist, dass der Nutzer immer weiß, welcher Link als „sponsored link“ einzustufen ist. Das sei nicht immer der Fall, beklagen die Verfasser einer US-amerikanischen Studie mit dem Titel „Noch immer auf der Suche nach Offenlegung“ („Still In Search of Disclosure“).

Verbraucherschutz durch Aufklärung
Die Studie ist die vierte Untersuchung ihrer Art, sodass ihre Verfasser auch Veränderungen gegenüber den Vorjahren beurteilen können. Ihr Ergebnis: Keine der untersuchten fünfzehn Suchmaschinen klärt ihre Nutzer wirklich zufrieden stellend über ihre bezahlte Werbung auf. Die Studie bestätige, dass Suchmaschinen ungenügende Anstrengungen unternehmen, „ihre Kunden über die finanziellen Abläufe zu informieren, die immer dann, wenn sie den Suchbutton anklicken, in Aktion treten“, fasst Jorgen Wouters, Autor der Studie, das Ergebnis zusammen. Im Vergleich zu früheren Jahren sei bei fünf Suchmaschinen sogar eine Verschlechterung festzustellen. Nur drei Anbieter hätten sich verbessert. „Wir meinen, dass jeder Kunde das Recht hat zu wissen, was er anklickt“, begründet Wouters seine Studie. Es gehe also nicht darum, Werbung zu verdammen. „Wir bitten nur darum, dass eine Anzeige auch eine Anzeige genannt wird.“ Den drei großen Suchmaschinen Google, AOL Search und Yahoo stellt Wouters ein insgesamt zufrieden stellendes Zeugnis aus. Auch MSN Search habe sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert.

Suchmaschinen filtern falsch
Auch deutsche Medienwissenschaftler haben sich in Sachen Suchmaschinen wieder einmal zu Wort gemeldet. Im Gegensatz zu ihren Kollegen aus den ach so prüden USA ging es den deutschen Suchmaschinenkritikern nicht um Werbung, sondern um Zensur der Suchergebnisse. Medienwissenschaftler wie dem Leipziger Professor Marcel Machill prangern an, dass die Suchmaschinen nur ungenügend filtern, obwohl sie sich doch im Februar dieses Jahres auf einen gemeinsamen Verhaltenskodex geeinigt haben, in dem sie sich u. a. verpflichten, „im Rahmen ihrer Möglichkeiten technische Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Inhalten zu fördern“. Medienwirksam wies Professor Machill nun darauf hin, dass diese Selbstverpflichtung von den gängigen Suchmaschinen noch immer nicht erfüllt werde. So habe der Suchbegriff „Teenies“ ausgerechnet beim Marktführer Google an prominenter Stelle zu pornografischen Suchergebnislinks geführt. Ansonsten erfülle Google allerdings die meisten Kriterien des Verhaltenskodex. Am schlechtesten schnitt im Übrigen Lycos ab – am schlechtesten im Sinne des Medienwissenschaftlers, aber am besten im Sinne des erwachsenen Verbrauchers?

Wie aus Erwachsenen wieder Jugendliche werden
Machills Forderungen sind eindeutig. So genannte jugendgefährdende und gesetzeswidrige Inhalte sollen aus den Trefferlisten der Suchmaschinen herausgefiltert werden. Filterungsprozesse unterscheiden allerdings nicht zwischen Nutzergruppen. Wenn gefiltert wird, dann verschwinden alle „gefährlichen“ Inhalte aus den Trefferlisten – egal ob ein Jugendlicher oder ein Erwachsener per Suchmaschine sucht. Der Verhaltenskodex macht also aus jedem erwachsenen Suchmaschinennutzer einen entmündigten Jugendlichen, dem man die Inhalte des WWW nur streng gefiltert zumuten darf. Werden solche Methoden beispielsweise in China angewandt, spricht man von Zensur. In Deutschland bekommt dieses Verfahren den Namen „Selbstregulierung“.

Filter und regulieren statt aufklären
Wer wie und warum welche Seiten aus dem Web für jeden Nutzer herausfiltert, welche Kriterien angelegt werden, um Inhalte als jugendgefährdend oder gesetzeswidrig einzustufen – solche und ähnliche Fragen zu stellen wäre im Interesse des Suchmaschinennutzers, um dessen Wohl sich deutsche Medienwissenschaftler offenbar sehr sorgen. Aber solche praktischen Fragen werden kaum gestellt. Lediglich Norbert Schneider, Direktor der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt, schlug heise online zufolge etwas andere Töne an. Die Dominanz einzelner Suchmaschinen sei brisant, meinte er. Die Nutzer vertrauten in der Regel auf die Ergebnisse einer einzigen Suchmaschine, ohne aber deren Suchmechanismen genauer durchschauen zu können. Aufklärung über den richtigen Umgang mit Suchmaschinen tut also Not, könnte man folgern. Schulen und Medien könnten hier beispielsweise gefordert sein, die Konsumenten über den „richtigen“ Umgang mit Suchmaschinen aufzuklären, ihnen also mehr Medienkompetenz zu vermitteln. Norbert Schneider wählt offenbar einen anderen Weg. Er bringt den Gesetzgeber ins Spiel und setzt auf eine gesetzliche Regulierung der Suchmaschinen. Offenbar beschränkt sich das Vokabular deutscher Medienwissenschaftler und solcher Personen, die sich dafür halten, auf die Begriffe Filtern und Regulieren. Aufklärung des mündigen Verbrauchers sieht völlig anders aus.

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