Webdesign künftig besser geschützt
Der Fall
Auslöser für das erstaunliche Urteil des Landgerichts München war der Streit zwischen einer Multimedia-Agentur und einem Unternehmen, das die Agentur mit der Gestaltung der Unternehmenshomepage beauftragt hatte. Das Unternehmen hatte den Webdesignern exakte und sehr ausführliche Vorgaben geliefert. Die neue Webseite sollte anspruchsvoll gestaltet sein, ihre Besucher emotional ansprechen, einen gewissen Human Touch besitzen und obendrein nutzerfreundlich gestaltet sein. All diese Vorgaben wurden von der Agentur zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers umgesetzt. Trotzdem zahlte der den Rechnungsbetrag von 4872 Euro nicht. Damit nicht genug. Das Unternehmen stellte die fertige Homepage ins Netz und nutzte sie etwa ein halbes Jahr lang, ohne den fälligen Betrag zu überweisen. Vielmehr kündigte das Unternehmen den mit der Agentur abgeschlossenen Werksvertrag mit der fadenscheinigen Begründung, die Agentur habe dem Unternehmen nicht alle „Programmierdaten“ überlassen.
Die Agentur sieht sich als Urheber
Die Agentur mochte sich eine solche Behandlung nicht gefallen lassen und zog vor Gericht. Sie forderte die Zahlung des in Rechnung gestellten Betrags und verklagte das Unternehmen obendrein wegen Urheberrechtsverletzung. Gleichzeitig machte die Agentur Unterlassungs- und Auskunftsansprüche geltend. Der Auftraggeber wehrte sich gegen diese Klage mit dem Argument, er selbst bzw. zwei seiner Angestellten hätten die leere Webseite mit Texten, Bildern und Grafiken ausgestaltet. Die Agentur könne also nicht alleiniger Urheber sein. Der Auftraggeber sei mindestens als Miturheber einzustufen. Das Gericht schloss sich dieser Argumentation nicht an.
Überragende Webdesignleistung
Das Münchner Landgericht gab der Multimedia-Agentur in vollem Umfang Recht und attestierte der von ihr geschaffenen Webseite jene „gewisse Schöpfungshöhe“ bzw. „schöpferische Eigentümlichkeit“, die Voraussetzung für die Anwendung des deutschen Urheberrechts ist. Die Richter lobten insbesondere die „optisch sehr ansprechend gestaltete Menüführung“ der Webseite. Außerdem wurde nach Aufrufen eines Menüpunktes jeweils ein Kurzfilm gestartet. Alles in allem würde dieses Webdesign die Leistungen eines Durchschnittswebdesigners bei weitem überragen, zumal die Webseite wegen der besonders genauen und anspruchsvollen Vorgaben des Auftraggebers auch sonst eine gewisse Gestaltungshöhe erreiche.
Urheberschutz trotz Erbringung gewisser „Eigenleistungen“
Die Münchner Richter kamen zu dem Schluss, dass die Multimedia-Agentur ein Urheberrecht an der Webseite geltend machen kann. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Auftraggeber Texte, Bilder und Grafiken hinzugefügt habe. Die erforderliche schöpferische Leistung habe allein die Agentur erbracht. Der Auftraggeber wurde zur Zahlung des Werklohns verurteilt. Er darf die Webseite bis zur vollständigen Bezahlung nicht mehr nutzen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Im Konfliktfall vor Gericht
Ideenklau im Netz dürfte künftig also nicht mehr so selbstverständlich auf der Tagesordnung stehen wie bisher – zumindest nicht bei einem anspruchsvollen Webdesign, das über dem Durchschnitt liegt und genau jene „Schöpfungshöhe“ erreicht, die urheberrechtlich gefordert wird. Wann eine solche schöpferische Höhe tatsächlich erreicht ist, muss im Konfliktfall gerichtlich geklärt werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich hier kein neues Betätigungsfeld für die bundesdeutsche Abmahnmafia erschließt.
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