In ihrem juristischen Kampf gegen die Musiktauschbörsen hat die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie erneut eine schwere Niederlage einstecken müssen. In ihrer Klage gegen die beiden Filesharing-Firmen Grokster und Streamcast Networks (Morpheus) hatten die Verbände der Musikindustrie gefordert, den beklagten Firmen Herstellung und Vertrieb von Filesharingprogrammen zu untersagen. Die Beklagten nähmen Urheberrechtsverletzungen bewusst in Kauf und verdienten damit ihr Geld. Das bereits im April letzten Jahres ergangene erstinstanzliche Urteil hatte dieses Ansinnen zurückgewiesen. Die Unterhaltungsindustrie hatte Berufung eingelegt – und ist jetzt damit gescheitert. Das Berufungsgericht im kalifornischen Pasadena hat das vorinstanzliche Urteil in vollem Umfang bestätigt.
Müssen Softwarefirmen für Schäden haften?
Die Anwälte der US-Unterhaltungsindustrie hatten gegen die Filesharingfirmen Grokster und Streamcasts Networks schwere Geschütze aufgefahren und tief in ihre argumentative Trickkiste gegriffen. Sie hatten nicht nur angeführt, dass gut 90 Prozent der in den Tauschbörsen angebotenen Dateien illegalen Ursprungs seien, sondern den beklagten Firmen auch vorgeworfen, sie würden keine wirkungsvollen Schritte unternehmen, um den Tausch urheberrechtlich geschützten Materials zu unterbinden. Wieder einmal wurde der Einbau effektiver Filter in die Filesharingsoftware gefordert. Solange dies nicht geschehe, seien die beklagten Firmen für die Schäden, die durch die Benutzung ihrer Software angerichtet würden, haftbar zu machen. Das war noch nicht alles – die Anwälte der Unterhaltungsindustrie hatten noch ein weiteres (vermeintliches) As im Ärmel – das Sony-Betamax-Urteil aus dem Jahre 1984.
Das Sony-Betamax-Urteil von 1984
Bereits 1984 hatte sich die US-Filmindustrie darüber beklagt, dass ihnen durch illegale Kopien per Videorekorder enorme Einnahmeausfälle entstünden. Die Firma Sony wurde verklagt. Ziel dieser Klage war es, Sony die Herstellung und den Vertrieb von Videorekordern zu verbieten, wodurch im Erfolgsfall die gesamte Videotechnologie hätte gerichtlich als illegal gebrandmarkt und verboten werden können. Die US-Filmindustrie musste damals eine Schlappe hinnehmen. Das Gericht urteilte im so genannten Sony-Betamax-Urteil, dass Sony seine Videorekorder weiter produzieren und vertreiben dürfe, da das Unternehmen dadurch keine Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen leiste. Seitdem wird dieses Urteil von den Betreibern von Musiktauschbörsen immer wieder gern benutzt, um darauf hinzuweisen, dass man selbst keinen Einfluss darauf habe, was die Nutzer mit der an sich „neutralen“ Software anstellen würden. „Falsch!“, riefen nun die findigen Anwälte der US-Unterhaltungsindustrie. Grokster und Streamcast Ntworks seien sehr wohl in der Lage, das Nutzerverhalten zu kontrollieren. Man brauche ja nur Filter einzubauen, die illegales Material aussondern, oder einzelne Nutzer von den Tauschbörsen auszuschließen. Wie das technisch aussehen sollte, darüber schwiegen sich die Anwälte offenbar aus – nicht jedoch die Richter in Pasadena.
Die Richter waren anderer Meinung
Die Richter am Berufungsgericht in Pasadena waren sich der grundlegenden Bedeutung ihrer zu fällenden Entscheidung augenscheinlich bewusst. Sie hatten sich in der Technik des Filesharings kundig gemacht und widerlegten die Argumente der Unterhaltungsindustrie Schritt für Schritt. Am Ende kamen sie zu dem Ergebnis, dass die beklagten Softwarefirmen keine Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung leisten, sondern den Benutzern eine an sich „neutrale“ Software zu Verfügung stellen. Die Art des Einsatzes dieser Software könnten die Firmen aus technischen Gründen nicht kontrollieren, weil das Filesharingnetz dezentral aufgebaut sei. Außerdem werde die Software nicht nur für illegale, sondern auch für zahlreiche andere, legale Zwecke etwa zur Distribution umfangreicher Softwarepakete genutzt.
Haftungsrecht nicht vorschnell ändern
Die Richter in Pasadena wiesen in ihrer einstimmig ergangenen Urteilsbegründung darauf hin, dass ihre Entscheidung nur vorläufig sein könne. Sie beziehe sich nur auf den jetzigen Stand der Technik. Der Unterhaltungsindustrie schrieb sie jedoch markige Worte ins Stammbuch: Jede neue Technik verändere die herkömmlichen Märkte und die Vertriebskanäle für urheberrechtlich geschützte Werke. Man müsse daher erst einmal die weitere Entwicklung abwarten, bevor man das US-amerikanische Haftungsrecht ändern sollte.
Zurück zur News-Übersicht