Vorratsdatenspeicherung völlig unbegründet
Vorratsdatenspeicherung contra Datenschutz
Die Datenschutzbeauftragten der EU-Mitgliedsstaaten, die in der so genannten Artikel-29-Gruppe organisiert sind, haben an der geplanten EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kein gutes Haar gelassen. Die geplante Richtlinie greife zu tief in die Privatsphäre eines jeden einzelnen Bürgers ein und besitze „eine historische Dimension“. Die Entscheidung für oder gegen die geplante prophylaktische massenhafte Speicherung von Verbindungsdaten ist demzufolge eine Grundsatzentscheidung über den künftigen Stellenwert des Datenschutzes in der EU. Jede Einschränkung des Datenschutzes dürfe nur auf Grund einer dringenden Notwendigkeit erfolgen, heißt es in der Erklärung der Artikel-29-Gruppe. „Sie sollte nur in Ausnahmefällen gestattet sein und sie muss angemessenen Sicherheitsmaßnahmen unterliegen“, erklärte Peter Schaar, der deutsche Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Und sie sei zudem auch völlig unbegründet.
Keine plausiblen Antworten
Dass es notwendig sei, den internationalen Terrorismus auf allen Ebenen effektiv zu bekämpfen, steht auch für die EU-Landesdatenschutzbeauftragten völlig außer Frage. Sie bezweifeln allerdings, ob die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich das geeignete Mittel ist. Denn bisher habe niemand die geplante Regelung plausibel und nachvollziehbar begründen können. Warum müssen pauschal alle Kommunikationsdaten sämtlicher EU-Bürger gespeichert werden, wenn es doch nur darum geht, einige wenige Verdächtige zu überwachen? Gibt es überhaupt geeignete Filter- und Analyseverfahren, die in der Lage sind, die europäischen Datengebirge wirksam und schnell zu durchdringen und unter all den unverdächtigen Emails, SMS, Telefongesprächen und völlig harmlosen Surftouren exakt diejenigen zu finden, die zur Vorbereitung oder Durchführung einer terroristischen Straftat dienten? Wie soll die Spreu vom Weizen getrennt werden? Plausible Antworten gibt es bisher nicht – aber möglicherweise weit effektivere Alternativen zur pauschalen Datenspeicherung auf Vorrat.
Quick-Freeze
Das in den USA praktizierte Quick-Freeze-Verfahren ist eine solche Alternative. In begründeten Verdachtsfällen wenden sich die US-Ermittlungsbehörden an die Internetprovider mit der Bitte, die Kommunikationsdaten einzelner verdächtiger Kunden „einzufrieren“, also zu speichern. Anschließend haben die Behörden neunzig Tage Zeit, um Beweise zu sammeln und damit die Herausgabe der gespeicherten Daten per Gerichtsbeschluss zu erwirken. Diese Methode böte sich als wesentlich kostengünstigere und zudem datenschutzrechtlich weit weniger bedenkliche Alternative an, meinen die obersten Landesdatenschützer der EU. Sie werde aber noch nicht einmal ansatzweise in Erwägung gezogen.
Vorratsdaten werden nicht gebraucht
Auch die Frage, wie wichtig Kommunikationsverbindungsdaten bei der Verhinderung und/oder Aufklärung schwerer Straftaten seien, wird derzeit überhaupt nicht diskutiert. So hat sich beispielsweise in den USA gezeigt, dass das „Quick-Freeze-Verfahren“ nur selten angewendet wird. Die US-Strafverfolgungsbehörden benötigten also „in einem geringeren Maß als bislang öffentlich diskutiert für ihre Arbeit Informationen über Verkehrsdaten“, hatte Peter Schaar, deutscher Bundesbeauftragter für den Datenschutz, schon früher an anderer Stelle erklärt. Die gezielt per „Quick-Freeze“ gespeicherten Daten werden zur Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung kaum benötigt, die EU will aber trotzdem wahllos und pauschal alle Kommunikationsverbindungsdaten speichern – ein Widerspruch, der bisher nicht gelöst ist.
Es gibt keine „guten Gründen“…
Für den Fall, dass die Vorratsdatenspeicherung trotz aller Bedenken eingeführt wird, fordern die EU-Landesdatenschützer strenge Schutzmaßnahmen. Zugang und Nutzung solcher Daten müssten an enge Voraussetzungen geknüpft werden. Eine effektive Missbrauchskontrolle müsse gewährleistet werden. Ähnliche Forderungen hatte auch Peter Hustinx. Europäischer Datenschutzbeauftragter, kürzlich zur Bedingung gemacht. Es müsse umfassende Garantien gegen einen Missbrauch der gespeicherten Daten geben, wobei auch Hustinx darauf hinwies, dass es „gute Gründe“ für die europaweite Datenspeicherung auf Vorrat überhaupt nicht gebe.
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