Internetnutzer verbringen zu viel Zeit am PC, sie leben in einer virtuellen Scheinwelt und vernachlässigen deshalb zwangsläufig ihre sozialen Kontakte in der realen Offline-Welt. Solche und ähnliche Vorurteile wirft die neue Studie des US-amerikanischen, nichtkommerziellen Meinungsforschungsinstituts Pew Internet & American Life Project nunmehr über Bord. Die Pew-Meinungsforscher haben die Frage untersucht, wie kontaktfreudig Internetnutzer im Vergleich zu so genannten Offlinern sind. Das Ergebnis scheint eindeutig: Das Internet ist kein Medium, das soziale Realkontakte durch bloß virtuelle Bekanntschaften ersetzt. Es macht es seinen Nutzern im Gegenteil einfacher, soziale Kontakte zu Freunden, Bekannten und Verwandten zu pflegen. Ob im Beruf, bei der Kindererziehung oder bei Gesundheitsthemen, für hochgerechnet rund 60 Millionen US-Bürger spielen die Informationen, die sie übers Internet beziehen, zudem eine große Rolle als Entscheidungshilfe in wichtigen Lebensfragen.
Informationen aus dem Netz helfen bei der Lebensplanung
Grundlage für die neue Pew-Studie waren zwei Befragungen, die die Pew-Forscher von Ende Februar bis Ende März 2004 durchführten. Befragt wurden jeweils 2200 erwachsene US-Amerikaner nach ihrer Online-Nutzung einerseits sowie andererseits nach ihrem Sozialverhalten und der Bedeutung, die sie dem Internet bei der Entscheidungsfindung in wichtigen Fragen beimaßen. Folgt man den nun veröffentlichten Ergebnissen, dann hat sich das Internet in den USA nicht nur längst als Alltagsmedium etabliert, sondern wird in zunehmendem Maße als Informationsquelle genutzt, um wichtige Lebensentscheidungen vorbereiten und fällen zu können. 45 Prozent der Befragten oder hochgerechnet 60 Millionen US-Bürger haben sich demzufolge bei der Vorbereitung einer wichtigen Entscheidung entsprechende Informationen aus dem Internet besorgt. Diese Informationen hätten bei der Entscheidungsfindung letztlich eine große, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle gespielt. Eine ähnliche Untersuchung hatte das Pew-Institut bereits im Jahr 2002 durchgeführt. Damals hatten sich erst rund 45 Millionen US-Bürger entsprechende Informationen zur Lebensplanung aus dem Internet besorgt.
Emailgrüße sind schnell geschrieben
Das Pew-Institut hat zusammen mit Soziologen von der Universität Toronto außerdem untersucht, ob das Internet bei seinen „heavy usern“ zu sozialer Isolation und Vereinsamung führe. Wer viel Zeit verbringt, um im World Wide Web zu surfen, hat kaum noch Zeit, reale soziale Kontakte zu pflegen. Die Pew-Studie räumt mit diesem Vorurteil auf. Die Forscher kommen nämlich zu dem Ergebnis, dass die Kommunikation via Internet kein Ersatz für reale Sozialkontakte sei, sondern vielmehr genutzt werde, um soziale Kontakte in der realen Offline-Welt zu pflegen. Internet und Email würden die sozialen Kontakte ausweiten und stärken, meinen die Pew-Forscher. Dies gelte insbesondere dann, wenn der eigene Freundes- und Verwandtenkreis räumlich sehr weit verstreut sei. Das Internet ersetze in diesem Falle nicht den realen Sozialkontakt, sondern mache ihn im Grunde erst möglich. Es sei schließlich kein Problem, sich rasch per Email bei Freunden und Bekannten in Erinnerung zu rufen. Man könne seine Freunde nicht ständig anrufen oder sie gar besuchen, erklärt Jeffrey Boase, Soziologe an der Universität von Toronto. Ein paar Emailgrüße seien aber immer schnell geschrieben. Welche Qualität eine solche Kontaktpflege per Email-„carbon copy“ besitzt, darüber schweigt sich die Studie allerdings aus.
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