Netscapes klassischer Fehlstart
Netscape 8.0 und Internet Explorer vertragen sich nicht
Die Betaversion des neuen Netscape-Browsers sorgte für Furore. Die lange und von Netscape-„Fans“ besonders sehnsüchtig erwartete Version 8.0 des Traditionsbrowsers trumpfte medienwirksam mit besonderen Fähigkeiten auf. Sie setzt nicht nur auf der Mozilla-Rendering-Engine auf, die auch Erfolgsbrowser Firefox benutzt, sondern verfügt außerdem über die Internet-Explorer-Engine. Ein Mausklick reicht, um von der einen auf die andere Rendering-Engine umzuschalten. Exakt dieses Funktion wurde dem neuen Netscape-Browser nun offenbar zum Verhängnis. Was in der Beta-Version noch problemlos funktionierte, macht in der finalen Version jetzt peinliche Probleme: Netscape 8.0 und Internet Explorer vertragen sich nicht.
Netscape schaltet XML-Funktionen ab
Wer Netscape 8.0 installiert, schaltet automatisch die XML-Fähigkeiten des Internet Explorers aus. XML-Seiten können vom IE anschließend nicht mehr gerendert werden. Der Microsoft-Browser zeigt nur noch eine leere Seite an. Besonders peinlich: Dasselbe gilt für die IE-Engine, die in den Netscape-Browser integriert ist. Auch hier läuft bei XML-Seiten überhaupt nichts mehr. Ursache ist ein Eintrag in der Windows-Registrierung, den Netscape bei der Installation bzw. bei jedem Neustart des Programms automatisch setzt. Er legt unter HKEY_LOCAL_MACHINE\SOFTWARE\Microsoft\Internet Explorer\Plugins\Extension den Schlüssel „.xml“ an. Solange dieser Schlüssel vorhanden ist, bleiben die XML-Fähigkeiten des Internet Explorers ausgeschaltet. Es nützt nichts, den eingefügten Eintrag von Hand zu löschen. Der penetrante Netscape-Browser nimmt den Eintrag automatisch immer wieder vor. Es gibt derzeit nur eine einzige Möglichkeit, diese überaus peinliche Panne auszubügeln: Der neue Netscape 8.0 muss deinstalliert werden. Der Registry-Eintrag muss anschließend von Hand gelöscht werden.
Kritische Sicherheitslücke in Netscape 8
Der XML-Fehler ist nicht die einzige Panne, die dem neuen Netscape-Browser einen klassischen Fehlstart beschert. Bereits Stunden nach seiner Veröffentlichung musste die neue Version zurückgezogen bzw. durch ein Update ersetzt werden. Den Netscape-Entwicklern war nicht aufgefallen, dass ihr „Kind“ dieselbe kritische Sicherheitslücke aufwies wie der Firefox. Sie ermöglicht es einem potenziellen Angreifer, dem Netscape-User beim Besuch einer manipulierten Webseite Schadprogramme wie etwa Trojanische Pferde unbemerkt unterzuschieben. Um das Maß der Netscape-Peinlichkeiten voll zu machen: Diese kritische Sicherheitslücke hatte die Firefox-Crew schon längst per Update behoben. In der Firefox-Version 1.0.4, die am 12. Mai, also gut eine Woche vor dem neuen Netscape-Browser, erschien, gibt es dieses kritische Sicherheitsleck nicht mehr.
Fragen an AOL
Die Netscape-Entwickler sowie der AOL-Konzern, zu dem die Firma Netscape seit Ende 1998 gehört, müssen sich – auch von Netscape-„Fans“ - einige kritische Fragen gefallen lassen. Die wichtigste zuerst: Warum sind niemandem die Fehler der finalen Version 8.0 bereits vor der Veröffentlichung aufgefallen? Wie kann es geschehen, dass die Endversion mehr Fehler besitzt als die Betaversion? Warum wurde die kritische Sicherheitslücke nicht vor dem Release behoben? Das Firefox-Update erfolgte schließlich schon gut eine Woche vor Veröffentlichung der Netscape-8-Version. Hätte man den Veröffentlichungstermin nicht um ein paar Stunden verschieben können, um sich und dem Renommee seines Produktes solche Peinlichkeiten zu ersparen? Ist man im Großkonzern AOL so unflexibel, dass solche kurzfristigen Änderungen nicht durchführbar sind? Eine gute PR in Sachen Browsersicherheit ist die halbe Miete. Das hat der unerwartet große Erfolg des Firefox bewiesen. Haben die AOL-Konzernstrategen daraus nichts gelernt? Oder liegt die Ursache dieser Pannenserie etwa darin, dass AOL in Netscape immer noch das ungeliebte Stiefkind sieht, mit dem man eigentlich gar nichts Rechtes anzufangen weiß?
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