Teilerfolg für Microsoft im Eolas-Konflikt
Die (unendliche) Vorgeschichte
Der bereits mehrere Jahre andauernde Patentrechtsstreit zwischen Microsoft und der kalifornischen Firma Eolas, ein Spinoff-Unternehmen der Universität von Kalifornien, kommt möglicherweise zu einem baldigen Ende. Es geht um die Frage, ob Microsoft mit seinem Internet Explorer ein Patent der Firma Eolas zum Einbetten von Plug-Ins und Applets in Webseiten verletzt hat. Das zuständige Bezirksgericht in Chicago hatte diese Frage im August 2003 bejaht und Microsoft zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 521 Millionen US-Dollar verurteilt, die später sogar auf 565 Millionen US-Dollar erhöht worden war. Microsoft hatte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Der Softwarekonzern wollte beweisen, dass das Chicagoer Bezirksgericht bei der Behandlung des Falles zahlreiche Fehler begangen und wichtige Beweismittel, die Microsoft hätten entlasten können, nicht zugelassen hatte. Rückendeckung hatte der Softwarekonzern vom US-amerikanischen Patentamt sowie vom W3C erhalten. Tim Berners-Lee, Chef des World Wide Web Consortiums, hatte sich in dieser Sache höchstpersönlich zu Wort gemeldet.
Ist das Eolas-Patent gültig?
Dreh- und Angelpunkt des Berufungsverfahrens war die Frage, ob das fragliche Patent, das die Firma Eolas für sich beansprucht, überhaupt Gültigkeit besitzt. Microsoft gab an, genügend Beweise dafür zu haben, dass die eingesetzte Technologie bereits vor Einreichen des Patentantrages zum damaligen Stand der Technik (prior art) gehörte, also nicht neu und somit auch nicht patentierbar gewesen sei. Die Technologie zur Einbettung von Plug-Ins in HTML-Seiten sei Microsoft zufolge bereits in einem Browser namens Viola enthalten gewesen. Dieser Browser war von Perry Pei-Yuan Wei bereits im Dezember 1992 entwickelt worden. Demgegenüber behauptete Michael Doyle, Gründer und Inhaber der Firma Eolas, diese Technologie zusammen mit Mitarbeitern der Universität von Kalifornien im Laufe des Jahres 1993 konzipiert zu haben. 1994 hatte die Universität von Kalifornien darauf ein Patent angemeldet, das ihr 1998 zuerkannt worden war. Anschließend wurde das Patent auf Eolas übertragen.
Viola-Browser muss als Beweismittel zugelassen werden
Das Bezirksgericht in Chicago hatte den Viola-Browser nicht als Beweismittel zugelassen. Nach Prüfung der Sachlage hatte Bezirksrichter James Zagel entschieden, dass der Viola-Programmierer Perry Pei-Yuan Wei seinen Browser „aufgegeben“ und nicht öffentlich gemacht habe. Die „Prior-Art“-Regel, nach der Patente ungültig sind, wenn die beschriebenen Techniken vor ihrer Einreichung bereits anderweitig genutzt werden, finde deshalb keine Anwendung. Das Washingtoner Berufungsgericht war anderer Meinung. Wei habe seinen Viola-Browser einer Gruppe von Technikern der Firma Sun Microsystems vorgeführt, was darauf schließen lasse, dass der Programmierer seine Technologie keinesfalls zu den Akten gelegt, Microsoft mit seinem Einwand also Recht habe. Zudem habe der Programmierer seinen Browser in der Folgezeit sogar weiterentwickelt.
US-Patentamt: Eolas-Patent vorläufig ungültig
Das Washingtoner Berufungsgericht schließt sich damit einer vorläufigen Entscheidung des US-amerikanischen Patentamts an. Tim Berners-Lee, Vorsitzender des W3C, hatte sich im Oktober 2003 höchstpersönlich an das Patentamt mit der Bitte gewandt, das Eolas-Patent noch einmal auf Prior Art hin zu überprüfen. Sollte das Eolas-Patent Bestand haben, fürchtete Berners-Lee erhebliche Auswirkungen auf das WWW. Betroffen sei nicht allein Microsoft, sondern jede Browserfirma, die die fraglichen Technologien in ihre Browser implementiert habe. Es handele sich um eine Schlüsseltechnologie des WWW. Millionen Webseiten seien betroffen, Webstandards in Gefahr. Das US-Patentamt hatte daraufhin im März 2004 das Eolas-Patent in einer vorläufigen Entscheidung wegen Prior Art für ungültig erklärt und Microsoft damit im Patentrechtsstreit merklich den Rücken gestärkt.
Gute Chancen für Microsoft
Prozessbeobachter gehen nun davon aus, dass das Bezirksgericht in Chicago sein Urteil gegen den Softwarekonzern revidieren wird. Zwar konnte auch die Firma Eolas im Hinblick auf die Frage nach der möglichen Höhe der Schadensersatzzahlung einen Teilerfolg verbuchen. Entscheidender dürfte allerdings die Tatsache sein, dass Microsoft den Viola-Browser nun doch als Beweismittel in das Verfahren einbringen darf. Für den Fall, dass das Eolas-Patent dennoch Gültigkeit behalten sollte, hat Microsoft allerdings äußerst schlechte Karten. Denn das Washingtoner Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Redmonder Softwarekonzern das fragliche Patent verletzt hat. Wenn es Gültigkeit behält, muss Microsoft tief in die eigenen Taschen greifen.
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