Dass die Musikindustrie nicht gerade dafür bekannt ist, innovative Konzepte für den Vertrieb ihrer Produkte zu entwickeln, dürfte hinlänglich bekannt sein. Im Gegenteil hat sie sich bei der Vermarktung übers Internet stets als Hemmschuh gebärdet und es Branchenfremden wie dem Computerhersteller Apple überlassen, Musik legal übers Internet unter die Fans zu bringen. Erst zu spät ist sie auf die jeweils längst fahrenden Züge aufgesprungen. US-Künstler Prince hat nun angekündigt, dass seine neue reguläre CD in Großbritannien verschenkt werden soll. Das britische Blatt „Mail on Sunday“ hat dem Künstler eine nicht genannte Summe dafür bezahlt, die neue Prince-CD ihrer Zeitung als Geschenk an die Leser (und als Werbung für sich) beizulegen. Die britischen Plattenhändler sind empört.
„Mail on Sunday“ wirbt mit kostenlosen CDs
Die britische Sonntagszeitung „Mail on Sunday“ verschenkt nicht zum ersten Mal Musik-CDs an ihre Leser. Auch betritt die Zeitung hier alles andere als Neuland. Es hat sich mittlerweile eingebürgert, dass die Herausgeber von Publikumszeitschriften ihre Leser mit kostenloser Musik in Form von beigelegten CDs an die Kioske locken wollen. Die meisten Leser lassen sich dadurch gerne locken. Der Werbeeffekt nutzt sich für die Zeitungen und Zeitschriften allerdings recht schnell ab, wenn irgendwann jedes Provinzblatt mit kostenlosen CD-Beilagen um neue oder alte Leser buhlt.
Meist angestaubte Oldies
Auch inhaltlich haben die meisten dieser Kostenlos-Musik-CDs nicht viel mehr als Oldie-Material vom Grabbeltisch der Rock- und Popmusik zu bieten. So war es bisher auch bei der britischen „Mail on Sunday“. Der Verlag ködert die Leser seiner Zeitung immer wieder einmal mit Musik – zuletzt wurden angestaubte Werke von Peter Gabriel, Dolly Parton, Duran Duran oder vom unsäglichen Mike Oldfield zum Kundenfang benutzt. Offenbar mit mäßigem Erfolg. Denn nun hat sich die „Mail on Sunday“ etwas ganz Besonderes ausgedacht.
Prince kostenlos
Am 24. Juli wird in Großbritannien die neue Prince-CD „Planet Earth“ erscheinen. Wenn alles gut geht, werden Briten dieses Werk auch in den Plattenläden kaufen können. Bisher sieht es gar nicht danach aus. Denn obwohl sich der Verkaufserfolg des neuen Prince-Albums bereits jetzt abzuzeichnen beginnt, weigern sich die britischen Läden, die neue CD in ihr Sortiment mit aufzunehmen. Der Grund: Die „Mail on Sunday“ wird die neue Prince-CD kostenlos an ihre Leser verteilen und ihrer nächsten Ausgabe als Werbegeschenk beilegen. Was der Verlag dafür auf die Ladentheke des eigenwilligen Popstars legen musste, ist nicht bekannt.
„Beleidigung der Plattenläden“
Die Musikindustrie und die Plattenhändler sind entsetzt. „Der Künstler, der früher mal unter dem Namen Prince bekannt war, sollte wissen, dass er mit diesem Verhalten bald ein Künstler wird, der früher mal in Plattenläden erhältlich gewesen war“, schimpft Paul Quirk, Vorsitzender der britischen Vereinigung von Verkäufern aus der Entertainment-Branche. „Das ist eine Beleidigung gegen all die Plattenläden, die Prince während seiner Karriere unterstützt haben.“
Neues Level
Stephen Miron von der „Mail on Sunday“ kann diese Aufregung nicht nachvollziehen. „Die leben in der alten Zeit und haben ihre Geschäfte nicht ausreichend ausgebaut. Wir können ihr Geschäft erweitern. Sie verhalten sich enorm engstirnig und müssen ihr Geschäft weiterbringen“, kanzelte Miron die Musikindustrie gegenüber der britischen BBC gehörig ab. Dass die Prince-Aktion im Vergleich zu früheren CD-Verschenkaktionen qualitativ eine andere Stufe besitze, weil erstmalig eine brandaktuelle CD eines bekannten Künstlers verschenkt wird, gibt allerdings auch Miron zu. „ Das hat noch nie jemand gemacht. Wir haben schon immer CDs und DVDs verschenkt, aber jetzt geschieht es auf einem neuen Level.“
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