Keine präventive Prüfungspflicht für Forenbetreiber
Das Haftungskarussell
Urteile zur Forenhaftung gibt es mittlerweile eine ganze Menge. Sie unterscheiden sich zum Teil ganz wesentlich voneinander. In einer Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich festgelegt, dass der Betreiber eines Internetforums auch für fremde Inhalte haftet. Er kann also für Postings, die Fremde in seinem Forum eingestellt haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Das Urteil sagt allerdings nur wenig über die Frage aus, ab wann der Betreiber haftet: Muss er seine Foren, wie es das Landgericht Hamburg im sogenannten Heise-Urteil fordert, präventiv auf Rechtsverletzungen überprüfen? Reicht es aus, wenn er rechtswidrige Inhalte auf „Antrag“ hin löscht? Handelt es sich bei einem Forum um ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot, für das besondere Sorgfaltspflichten gelten? Erst kürzlich hat das Landgericht Hamburg, das für seine ebenso rigorose wie realitätsferne Rechtsprechung in Sachen Forenhaftung bekannt ist, exakt so entschieden und ein privates Forum als journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot gewertet.
MeinProf.de
Das Landgericht Berlin hat nun ein weiteres Forenhaftungsurteil gefällt. In der Sache ging es um die Bewertungsplattform MeinProf.de. Hier können bundesweit Uni-Lehrveranstaltungen kommentiert und bewertet werden. Die Bewertungen erfolgen über eine vorgegebene Liste von Kategorien. Aber auch individuelle Kommentare sind möglich. Das Angebot ist unter bundesdeutschen Studenten sehr beliebt. Knapp 230.000 Bewertungen für 60.000 Kurse von 32.000 Dozenten sind nach Betreiberangaben derzeit auf den Servern der Webseite gespeichert. Täglich kommen neue hinzu. In der Sache hatte sich das Landgericht Berlin nun mit der Klage eines Professors einer Brandenburgischen Fachhochschule auseinanderzusetzen.
„Psychopath“
Der fragliche Professor wurde in seinem Bewertungsprofil auf MeinProf.de als „Psychopath“ und „echt das Letzte“ bezeichnet. Der betroffene Professor wandte sich an die Betreiber von MeinProf.de und verlangte die Löschung der fraglichen Einträge. Die Betreiber der Webseite reagierten sofort und nahmen die Beleidigungen vom Netz. Der Professor fühlte sich offenbar so tief in seiner Ehre verletzt, dass er die Webseitenbetreiber zusätzlich aufforderte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung für den Wiederholungsfall zu unterschreiben. 3000 Euro sollten die Betreiber zahlen, falls wieder ein ähnlicher Eintrag auftauchen würde.
Amtsgericht entscheidet pro Professor
Die Webseitenbetreiber weigerten sich. Sie beriefen sich darauf, mit der Löschung nach Kenntnisnahme ihren rechtlichen Pflichten Genüge getan zu haben. Wie unsicher die Rechtslage ist, zeigte sich gleich im ersten Verfahren vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten. Das Gericht gab dem Professor Recht. Daraufhin gingen die Betreiber von MeinProf.de in Berufung. Das Landgericht Berlin wies Ende Mai den Anspruch des Professors auf Abgabe einer Unterlassungserklärung durch die Webseitenbetreiber zurück. Die Begründung ist interessant.
Keine präventive Prüfungspflicht
Einem Hochschulprofessor müsse zugemutet werden können, dass er sich öffentlicher Kritik stellt und diese aushält. Es dürfe in keinem Fall dazu kommen, dass durch die geforderte pauschale Unterlassungserklärung jegliche Kritik unmöglich gemacht werde. Den Webseitenbetreiber obliege dem Gericht zufolge auch keine präventive Prüfungspflicht, ob ein Eintrag rechtskonform sei. Er komme seinen Pflichten allein schon dadurch nach, dass er einen rechtswidrigen Beitrag nach Kenntnisnahme entferne. Die Urteilsbegründung wurde noch nicht veröffentlicht. Ob Rechtsmittel eingelegt werden, steht noch nicht fest.
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