Betreiber sollen für Forenbeiträge haften
Heise berichtete über ominöse Webseitenübernahme
„Dialer-Anbieter verteilt Trojaner“ - unter dieser Überschrift berichtete heise online Anfang August über die seltsamen Vorgänge bei der Übernahme einer seriösen Webdomain durch die Firma Universal Boards. Anschließend prunkte auf dieser Webseite ein Text, der alle Besucher zum Download eines Dialers zu überreden versuchte. Kurz darauf war der Dialer verschwunden. Dafür wurde der ahnungslose Surfer nun durch eine fingierte Browserfehlerseite zum Download eines Browser-Plugins namens „k.exe“ aufgefordert. Zusammen mit Spezialisten des deutschen Honeynet-Projekts prüfte heise online daraufhin das ominöse Programm.
Trojaner mit ausgeklügelter Funktion
Laut Nutzungsbestimmungen sollte es sich um Adware, also um ein Programm handeln, das Werbung einblendet und die Browserstartseite ändert. Doch hinter dieser „Adware“ steckte offenbar noch mehr. Es wurde ein „ausgewachsener“ Trojaner entdeckt. Dieser hatte offenbar eine besonders ausgeklügelte Funktion. Der Trojaner lud eine Liste von mehr als 12.000 verschiedenen attraktiven Domainnamen nach. Diese Namen wurden in regelmäßigen Abständen bei verschiedenen Whois-Diensten abgefragt. Wenn eine Domain frei wurde, konnte Dolzer als Geschäftsführer von Universal Boards sofort zuschlagen und die attraktive Domain mit hohem Google-Pagerank unter seinem Namen registrieren lassen. Anschließend sollten dann vermutlich auch auf diesen Seiten Dialer platziert werden – exakt so, wie es bei der seriösen Webseite geschah, die den Anstoß zur Aufdeckung dieser Machenschaften gab. Heise online setzte im Übrigen die Ermittlungsbehörden in Kenntnis.
Aufruf zur „Selbstjustiz“?
Im heise-online-Forum wurden daraufhin u. a. Beiträge veröffentlicht, die offenbar zu einer Art „Selbstjustiz“ gegen Universal Boards aufriefen und empfahlen, den gefährlichen Trojaner „k.exe“ massenhaft herunterzuladen. Universal Boards wehrte sich mit einer Abmahnung und verlangte vom Heise Verlag die Löschung der fraglichen Beiträge. Ferner forderte der auch in anderen Zusammenhängen bekannte Rechtsanwalt Bernhard Syndikus als Vertreter von Universal Boards den Heise Verlag auf, es zu unterlassen, „an der Verbreitung von ‚Leserkommentaren’ mitzuwirken, in denen wörtlich oder sinngemäß dazu aufgerufen wird, Dateien, insbesondere das Programm ‚k.exe’, so oft wie möglich von den Servern meiner Mandantschaft downzuloaden, um die Server meiner Mandanten ‚in die Knie zu zwingen’“.
Postings vor Veröffentlichung prüfen
Der Heise Verlag legte Widerspruch ein, den das Landgericht Hamburg nunmehr per Urteil abwies. Der Verlag sei allein schon durch die Verbreitung der Beiträge auch ohne Kenntnis ihrer Inhalte haftbar zu machen. Die Forumsbeiträge könnten vor Veröffentlichung manuell oder automatisch geprüft werden. So, wie der Verlag das Forum bisher betreibe, fordere er Rechtsverletzungen sogar potenziell heraus, brachte das Gericht die Argumentation auf den Punkt und schrieb dem Heise Verlag in völliger Verkennung der Realität und gängigen Praxis ins Stammbuch, es sei nicht hinnehmbar, dass „die in ihren Rechten Verletzten Ihnen hinterher rennen müssen“. Eine automatische Prüfung funktioniere erwiesenermaßen nicht, konterte der Verlag, und eine manuelle Prüfung sei in Anbetracht von über 200.000 Postings pro Monat schlicht nicht zu leisten. Eine solche Argumentation mochte das Gericht jedoch nicht gelten lassen und lehnte den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ab.
Auswirkungen auch auf andere Kommunikationsforen
Der Heise Verlag hat angekündigt, nach Zustellung des Urteils Rechtsmittel einzulegen. Heise-Justiziar Joerg Heidrich fürchtet Auswirkungen auch auf andere Kommunikationsforen im Netz. Blogs, Gästebücher oder gar Chats könnten durch das Urteil betroffen sein. Christian Persson, Chefredakteur von heise online mochte gar eine Schließung der Heise-Foren nicht ausschließen, sollte das Urteil Bestand haben.
Zurück zur News-Übersicht