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06. März 2006:

Windows Vista ohne Hintertür?

Mitte Februar wurden Gerüchte über Gespräche zwischen dem britischen Innenministerium und dem US-Unternehmen Microsoft laut. Darin soll es um die neuen Verschlüsselungsfunktionen gegangen sein, die Microsoft in den XP-Nachfolger Windows Vista serienmäßig einbauen wird. Solche Funktionen sind den britischen Ermittlungsbehörden ein Dorn im Fahndungs-Auge. Sie befürchten, dass es den Behörden dadurch erschwert würde, Dateien auf Computern von Verdächtigen als Beweismaterial benutzen und analysieren zu können. Gefordert wurde deshalb eine Hintertür im System, die einen polizeilichen Zugriff auf per Vista verschlüsselte Dateien ermöglichen könnte. Microsoft-Entwickler Niels Ferguson erteilte solchen Wünschen nunmehr eine eindeutige Absage: „Nur über meine Leiche!“

Der serienmäßige Vista-BitLocker
Methoden zur Verschlüsselung von einzelnen Dateien und ganzer Festplatteninhalte sind nichts Neues. Sie wurden bisher allerdings höchstens von Profis genutzt. Mit Windows Vista wird sich das vermutlich ändern. Denn der für die zweite Jahreshälfte angekündigte XP-Nachfolger wird serienmäßig mit einer Verschlüsselungsfunktion ausgestattet werden. Das neue Vista-Feature hört auf den Namen BitLocker Drive Encryption und kann mit einem so genannten Trusted Platform Module (TPM) auf dem Mainboard verknüpft werden. Dieses System wird von Microsoft nicht uneigennützig spendiert. Es soll nämlich beispielsweise verhindern, dass Vista-Nutzer urheberrechtlich geschützte Filme oder Musik aus dem Netz herunterladen und abspielen sowie nicht lizenzierte Software installieren und nutzen. Gleichzeitig lassen sich damit die Festplatteninhalte verschlüsseln.

Verschlossene Rechner
Das britische Innenministerium fürchtet nun, dass künftig auch der kriminelle Vista-Nutzer seine Festplatteninhalte verschlüsseln könnte, da Vista die erforderliche Software frei Haus mitliefert. Für die Strafverfolgung könnten sich daraus erhebliche Probleme ergeben. Bisher war es den Strafverfolgern angeblich problemlos möglich, beschlagnahmte Rechner von Verdächtigen auf strafrechtlich relevante Inhalte hin abzuklopfen. Das könnte sich in Zukunft ändern. Der Zugriff auf die Festplatteninhalte wäre immer öfter blockiert und vom guten Willen des Verdächtigen abhängig. Verhält er sich unkooperativ und gibt sein Passwort nicht preis, weil er es angeblich vergessen habe, stehen die Ermittlungsbeamten vor einem „verschlossenen“ PC. Die Beweisaufnahme ist gestoppt – es sei denn, das angewendete Verschlüsselungsverfahren besitzt eine Hintertür, die die Ermittlungsbeamten nutzen können, um trotz fehlenden Passwortes in das System eindringen zu können.

Microsoft hielt sich bedeckt
Das britische Innenministerium hat sich in dieser Angelegenheit offenbar direkt an Microsoft gewandt und den Einbau einer solchen Hintertür gefordert. Die Verantwortlichen bei Microsoft hielten sich zunächst bedeckt. Windows Vista solle die sicherste Windows-Version werden, die bisher erschienen sei, redete eine Microsoft-Sprecherin um den heißen Brei herum. „Es ist unser Ziel, den PC-Nutzern die Kontrolle und das Vertrauen zu geben, das sie brauchen, um ihren Rechner auch in Zukunft optimal nutzen zu können“, erklärte die Sprecherin weiter. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass man selbstverständlich auch mit Regierungen, Sicherheitsbehörden und der Industrie zusammenarbeiten werde, „um das Internet zu einem sicheren Ort“ zu machen. Wie das geschehen solle, was Trusted Computing und das neue Verschlüsselungssystem damit zu tun haben könnten, erklärte die Microsoft-Sprecherin nicht. Auch die Frage nach der Hintertür im Verschlüsselungssystem ließ sie völlig unbeantwortet.

„Nur über meine Leiche“
Microsoft benötigte zwei Wochen, um diese Frage eindeutig zu beantworten. Im MSDN-Weblog erteilte Microsoft-Entwickler Niels Ferguson allen Plänen, eine offizielle Hintertür zu installieren nunmehr eine deutliche Absage. „Over my dead body - Nur über meine Leiche!“, erklärte er und versicherte, dass das auch die offizielle Haltung des Softwarekonzerns sei. Außerdem sei kein Microsoft-Mitarbeiter bereit, an einer solchen Funktion zu arbeiten. Diese Haltung entspreche im Übrigen auch der offiziellen Unternehmenspolitik. Ob damit tatsächlich das letzte Wort gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Die Befürworter einer Hintertür werden vermutlich die in solchen Fällen mittlerweile üblichen Geschütze „Kinderpornografie“, „Terrorismus“ und „Organisiertes Verbrechen“ in Stellung bringen und daraus ihre „Argumente“ ableiten. Dass Terroristen und cyberkriminelle Profis ihre Kommunikation sowie ihre wichtigsten Dateien auch ohne Vistas Verschlüsselungssoftware längst vor fremdem Zugriff schützen können, bleibt dabei regelmäßig außen vor.

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© Alfred Krüger http://www.akrue.de/