Das Europäische Parlament hat sich heute mit überwältigender Mehrheit gegen die Patentierbarkeit „computerimplementierter Erfindungen“ ausgesprochen. Am Ende stimmten 648 von 680 anwesenden EU-Parlamentariern gegen die zur Abstimmung vorgelegte Vorlage. Vierzehn Abgeordnete stimmten gegen den Antrag auf Ablehnung der Richtlinie, achtzehn enthielten sich der Stimme. Dabei hatte es nach der Sitzung des EU-Rechtsausschusses vor zwei Wochen noch ganz anders ausgesehen. Im Rechtsausschuss hatten sich die Befürworter der Richtlinie mit großer Mehrheit durchgesetzt.
Eindeutiges Abstimmungsergebnis
Eine qualifizierte Mehrheit wäre nötig gewesen, um die Vorlage zur Patentierbarkeit „computerimplementierter Erfindungen“ abzulehnen. Für ihre Annahme hätte die einfache Mehrheit ausgereicht. Umso erstaunlicher auf den ersten Blick, dass die Abstimmung nach den heftigen Lobbyschlachten zwischen Gegnern und Befürwortern so eindeutig ausgefallen ist. Doch dieses deutliche Abstimmungsergebnis zeichnete sich bereits gestern in der Parlamentssitzung ab.
EU-Rechtsausschuss noch für Softwarepatente
Der EU-Rechtsauschuss hatte mit deutlicher Mehrheit einer Abstimmungsvorlage zugestimmt, die den Vorstellungen des EU-Ministerrates sehr nahe gekommen war. Danach wäre reine Software zwar grundsätzlich von einer Patentierbarkeit ausgenommen gewesen. Doch waren die entsprechenden Regelungen so schwammig formuliert, dass sie möglicherweise gar Trivialpatente auf den Fortschrittsbalken oder den Warenkorb zugelassen hätten. Die Befürworter von Softwarepatenten, die sich größtenteils aus international agierenden Großkonzernen zusammensetzen, waren mit dieser Vorlage zufrieden. Die Patentgegner insbesondere aus dem Mittelstand sahen darin eine Niederlage auf der ganzen Linie. Umso hektischere Aktivitäten entfalteten Gegner und Befürworter in den folgenden Tagen, um ihre Vorstellungen noch in letzter Minute in die Vorlage einzubringen.
Antrag auf Ablehnung der Vorlage findet Mehrheit
Dem EU-Parlament lagen dementsprechend etliche neue Abänderungsanträge vor. Darunter neben einem Kompromissvorschlag des französischen Ex-Premierministers Michel Rocard auch ein Antrag der Liberalen auf Ablehnung der Vorlage. Dass sich dieser Vorschlag auch in der großen Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei am Ende durchsetzen konnte, lag vor allem daran, dass man hoffte, damit eine weit gehende Verwässerung der Vorlage verhindern zu können. Wenn man die Vorlage des EU-Rechtsausschusses nicht ohne Änderungen durchbringen könne, dann wolle man auf die ganze Richtlinie verzichten und es beim Status quo belassen, hieß es am Ende aus den Reihen der Europäischen Volkspartei. Ähnlich hatten im Übrigen auch Vertreter der Patentbefürworter argumentiert.
Stärkere Kontrolle des Europäischen Patentamts
Nach der Entscheidung des EU-Parlaments bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Danach ist Software durch das Urheberrecht geschützt. Eine Patentierung ist auf Grund der Europäischen Patentkonvention von 1973 ausdrücklich ausgeschlossen. Das allerdings hinderte das Europäische Patentamt in München keineswegs daran, bereits geschätzte 30.000 Softwarepatente zu erteilen. Softwarepatentgegner wie die Free Software Foundation Europe fordern daher mittlerweile, dass die Patentvergabepraxis des Europäischen Patentamtes einer stärkeren Kontrolle unterzogen werden solle.
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