Die Betreffzeile jener Spammails, die im April dieses Jahres massenhaft durchs Netz der Netze geisterten, hatte es in sich. „Nebenverdienst: Medikamententester – Sofort bis 4000 Euro“, hieß es dort reißerisch genug, um etliche Empfänger auf die in dieser Massenmail beworbene Webseite www.klinische-forschung.tv zu locken. Webseite und Medikamententesterdatei wurden von der Fuldaer Firma MKAV betrieben. Gegen eine Vermittlungsgebühr von 80 Euro konnten sich Interessenten hier für medizinische Tests registrieren lassen. Ende Juni flog die Firma auf. Die hessische Polizei durchsuchte Wohnung und Firmensitz. Der Verdacht lautet auf Betrug. Der mutmaßliche Täter, ein 22-jähriger Berufsschüler, schweigt zu den Vorwürfen. Derweil ist ein weiteres Projekt des Fuldaers immer noch online: lebenserwartung.tv.
4000 Euro für Nichtstun
Der Fuldaer Berufsschüler, der zur Anwerbung von Medikamententestern neben klinische-forschung.tv u. a. auch die Webseiten tester-heute.de und meditester-gesucht.de betrieb, war offenbar nicht zimperlich, wenn es um die Durchsetzung seiner Forderungen ging. Zunächst köderte er seine potenzielle Klientel mit Massenmails, in denen er Jobs als Medikamententester anbot. Interessierte lockte er auf seine Webseiten, um ihnen dort vorzugaukeln, dass mit Medikamententests quasi durch Nichtstun die schnelle Mark nebenbei zu machen sei. „Die Pharma-Industrie sucht derzeit dringend Probanden für die Tests von Arzneien und medizinischen Produkten“, wurde in der Mail behauptet. Bis zu 4000 Euro könne ein Testerwochenende einbringen, hieß es dort. Alles, was man machen müsse, um in den Besitz des Geldes zu gelangen, sei, sich in die Vermittlungsdatenbank der Firma MKAV eintragen zu lassen. Anschließend werde der Interessent an die entsprechenden Pharmafirmen weitervermittelt.
Wüste Drohungen
Wer bis zu 4000 Euro schnelles Geld in Aussicht hat, stellt sich bei läppischen 80 Euro gewiss nicht geizig an. Diese Summe jedenfalls verlangte der Berufsschüler für einen Eintrag in seine Tester- und Vermittlungsdatenbank. Wer sich per Email bei ihm meldete, erhielt kurz darauf eine Rechnung über 80 Euro Anmeldegebühr. Das eine solche fällig würde, darauf hatte der gewiefte Jungunternehmer auf seinen Webseiten wenn überhaupt, dann nur im Kleingedruckten hingewiesen. In seinen Rechnungsmails jedoch stieß er für den Fall des Nichtbezahlens wüste Drohungen aus. Mit Zahlungsunwilligen würde kurzer Prozess gemacht. Ein Inkassobüro würde beauftragt, notfalls würde die Forderung gerichtlich eingeklagt. „Kann sie danach nicht vollstreckt werden, werden wir einen Gerichtsvollzieher mit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (= SCHUFA-Eintrag und Eintragung im öffentlichen Schuldnerverzeichnis) beauftragen“, drohte der Berufsschüler und Firmeninhaber weiter. „Es wäre demnach auch für Sie das beste, wenn Sie diese vergleichsweise geringe Forderung – im Vergleich zu den zu erwartenden Unannehmlichkeiten – einfach begleichen.“
Geschäftstätigkeit vorzeitig eingestellt
Nachdem bei der Fuldaer Staatsanwaltschaft rund zwanzig Strafanzeigen eingegangen waren, machten die hessischen Ermittlungsbehörden Ende Juni kurzen Prozess. Privatwohnung und angeblicher Firmensitz des agilen Jungunternehmers, der noch bei seinen Eltern wohnte, wurden durchsucht. „Wir haben zwei Gebäude durchsucht“, sagte der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Fulda. „Bei der im Internet angegebenen Anschrift Stockhaus 2 handelte es sich um eine Scheinadresse, in der elterlichen Wohnung in der Adalbert-Stifter-Straße wurde elektronisches Beweismaterial beschlagnahmt.“ Der Beschuldigte machte den Ermittlungsbehörden gegenüber keine Angaben. Auf seiner Webseite tester-heute.de verkündete er jedoch anschließend das vorzeitige Ende seiner Geschäftstätigkeit. „Die Firma MKAV hat derzeit den aktuellen Bedarf an Probanden mit den derzeitigen Bewerbern für die Auftraggeber gedeckt“, ist dort zu lesen. Neue Studien würden momentan „leider“ nicht ausgeschrieben.
Irreführend und unseriös
Nicht erwiesen ist derzeit, ob es sich bei dem Fuldaer Berufsschüler und Unternehmensgründer um einen Einzeltäter handelt oder ob er nur als Strohmann arbeitete. Daneben muss die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass der 22-Jährige in betrügerischer Absicht gehandelt hat und nur an der Vermittlungsgebühr interessiert war. „Wir müssen jetzt nachweisen, dass (…)keine Anstalten unternommen wurden, Kunden an die Pharmaindustrie weiter zu vermitteln. Wenn es keinen Kontakt zur Pharmaindustrie gab, darf man von Betrug ausgehen“, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Dieser Nachweis dürfte den Ermittlungsbehörden vermutlich nicht sonderlich schwer fallen. Denn die Deutsche Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin hatte bereits am 10. Mai dieses Jahres in einer offiziellen Pressemitteilung vor den Methoden der MKAV mit den Worten gewarnt: „Wir halten solche Vermittlungsdienste nicht für sachdienlich sondern für irreführend und unseriös.“ Außerdem habe der Verband herausgefunden, „dass die Firma MKAV Fulda bei den befragten pharmazeutischen Unternehmen nicht bekannt ist und auch bislang keine Dienstleistung, also Vermittlung von Studienteilnehmern angeboten hat.“ Eine ähnliche Mitteilung gibt es auch vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Keine der 38 deutschen Mitgliedsfirmen arbeite mit derartigen Vermittlern zusammen.
„Sie leben nur noch 9120 Tage“
Unverändert online ist ein weiteres sinnloses, aber konsequentes „Produkt“ der umtriebigen Fuldaer Firma MKAV: Nach dem Medikamententest kann man gleich noch seine Lebenserwartung ausrechnen lassen. lebenserwartung.tv macht’s möglich. Auch für diese Webseite wird mit Massenmails in Spammanier geworben. „Sie leben nur noch 9120 Tage?“, heißt es beispielsweise in den Betreffzeilen dieses Werbemülls. Die Absenderangaben sind gefälscht. Über den Umweg webneuheit.biz und andere Weiterleitungsadressen, die in den Spammails enthalten sind, wird man auf die Webseite lebenserwartung.tv weitergeleitet. Versprochen wird dort ein „wissenschaftlich empfohlener“ Test, mit dem man die eigene Lebenserwartung ermitteln könne – vorausgesetzt man wird zahlendes Mitglied bei lebenserwartung.tv. Pro Monat sind 4 Euro fällig, die Mindestmitgliedschaft beträgt ein Jahr. Darüber hinaus wird der potenzielle Kunde aufgefordert einen detaillierten Fragebogen zu seinen persönlichen Daten auszufüllen. webneuheit.biz ist übrigens nicht auf den erfindungsreichen Fuldaer Jungunternehmer, sondern auf eine Person namens Markos Joachima aus Los Angeles, Kalifornien, registriert. Als Emailadresse wird ein Postfach bei Yahoo in Großbritannien angegeben.
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