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07. Februar 2005:

Superdatenkrake GEZ

Die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln ist immer auf der Suche nach den schwarzen Schafen, die in der ersten Reihe sitzen, aber partout dafür nicht zahlen wollen. Und damit sie die auch findet, kauft sie die Adressen potenzieller Schwarzseher seit Jahren bei kommerziellen Adresshändlern auf dem freien Markt. Rechtlich bewegte sich die GEZ damit bisher in einer Grauzone. Das soll nun anders werden. Der Entwurf des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages schafft neue rechtliche Fakten. Wird der Entwurf Gesetz, dürfte die GEZ künftig sogar mit Adressen handeln. Datenschützer halten das Gesetz für „schlicht verfassungswidrig“.

Ein Preis für die GEZ
Es gibt Preise, über die sich die Empfänger selten richtig freuen. Der Big Brother Award, der seit dem Jahr 2000 jährlich an besonders emsige „Datenkraken“ in Firmen und Behörden verliehen wird, gehört dazu. Vor zwei Jahren ging er an die GEZ. „Geehrt“ wurden die Kölner Gebühreneinzieher für ihr Lebenswerk, für ihren unermüdlichen Einsatz bei der bedingungslosen Ermittlung von Schwarzsehern und –hörern. Rücksichtslos und in der Manier von Drückerkolonnen beschaffe sich die GEZ systematisch ihre Daten, hieß es in der offiziellen Laudatio bei der Preisverleihung. Sie zapfe Meldebehörden und öffentliche Stellen an, um Menschen zu finden, die keine Rundfunkgebühren zahlen. Sie überrumpele unbescholtene Bürger, dringe in deren Wohnungen ein und nötige sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Preisgabe ihrer Daten. Ihre rücksichtslose Datensammellust befriedige sie obendrein durch Ankauf von Adressen potenzieller Schwarzseher bei kommerziellen Adresshändlern. Letzteres war rechtlich bisher nicht abgesichert. Das soll sich künftig ändern – ginge es nach den Vorstellungen der Ministerpräsidenten der Länder. In ihrem Entwurf zum 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag haben sie sich darauf verständigt, dass die GEZ künftig Adressen auf dem freien Markt erwerben darf.

Wenn’s an der Haustür zweimal klingelt…
Dass die GEZ auf ihre bisherige Praxis, Adressen bei kommerziellen Datenhändlern zu erwerben und nach schwarzen Rundfunkschafen zu durchstöbern, nicht verzichten möchte, hat einen guten Grund. Wer beispielsweise eine Fernsehzeitung abonniert hat, aber nicht im GEZ-Register steht, sieht „schwarz“, kombiniert die GEZ. Deshalb hat sie selbstverständlich ein großes Interesse daran, solche Abonnentenlisten zu erwerben. Die entsprechenden Verlage verkaufen ihre Listen gern und ergattern sich damit ein kleines oder größeres Zubrot. Anschließend geht die GEZ an die Arbeit und gleicht die Abo-Listen mit den eigenen Datenbeständen ab. Verdächtig ist, wer nicht in beiden Listen auftaucht. Denn wer liest schon eine Fernsehzeitung, ohne die entsprechenden Geräte in seinem Haushalt zu besitzen? Die GEZ schreibt die nicht zahlenden Programmzeitschriftenleser an und fordert sie zur Auskunftserteilung auf. Wer jemals einen solchen Brief erhalten hat, kennt den drohenden Tonfall, in dem diese Anmahnschreiben regelmäßig abgefasst werden. Wer nicht antwortet, bekommt persönlichen Besuch von neugierigen, äußerst beharrlich agierenden „Außendienstmitarbeitern“. Merke: Nicht nur der Briefträger klingelt immer zweimal.

„Zielgruppenansprache“ à la GEZ
Der Entwurf der Länderchefs sieht im Detail vor, dass die Landesrundfunkanstalten oder die GEZ „zur Feststellung, ob ein Rundfunkteilnehmerverhältnis vorliegt, oder im Rahmen des Einzugs der Rundfunkgebühren entsprechend § 28 des Bundesdatenschutzgesetzes personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen“ dürfen. Davon macht die GEZ bereits jetzt regen Gebrauch. Einen Großteil ihrer Daten bekommt sie in den meisten Bundesländern von den Einwohnermeldeämtern. An- und Ummeldedaten werden automatisch an die Gebühreneintreiber in Köln weitergeleitet. Wer umzieht, fällt auf und wird umgehend angeschrieben. Zur „Pflege der Stammdaten“, zur „Ausschöpfung des Teilnehmerpotentials“ bzw. zur „Zielgruppenansprache“, wie es im GEZ-internen Jargon heißt, versandten die Gebühreneintreiber laut Geschäftsbericht 2003 Monat für Monat rund 1,7 Millionen Briefe. Für ihr so genanntes „Direct-Mail-Verfahren“ verwendete die GEZ sowohl Anschriften von bereits gemeldeten Rundfunkteilnehmern als auch Adressen, die von „externen Anbietern“ erworben wurden.

„Schlicht Verfassungswidrig“
Datenschützer meldeten gegen eine solche Praxis wiederholt Bedenken an. Der entsprechende Passus im neuen Gesetz wird von ihnen deshalb heftig kritisiert. In einer gemeinsamen Erklärung wiesen die Datenschutzbeauftragten der Länder bereits Ende Oktober letzten Jahres auf die „Verschlechterung des Datenschutzes“ hin und befürchteten „die Beschaffung von jährlich mehreren Millionen Adressen hinter dem Rücken der Betroffenen“. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein, hält diese Praxis für „schlicht verfassungswidrig“. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus erklärte er, einerseits habe die GEZ Befugnisse wie eine Behörde, andererseits könne sie sich nach der Gesetzesänderung auf Regeln berufen, die sonst nur in der Privatwirtschaft gelten. Die GEZ wird durch die Gesetzesänderung auch offiziell zum Superdatenkraken, der systematisch sowohl in den Datenbeständen der Einwohnermeldeämter als auch in privaten Datenbanken ohne Wissen der Betroffenen schnüffeln und anschließend Gebührenbescheide verschicken darf.

Welches Bundesland meutert schon gegen seinen Chef?
Damit nicht genug. Die geplante neue Regelung ist nach Meinung von Datenschützern so weit gefasst, dass in letzter Konsequenz auch die GEZ selbst zum Datenhändler werden könnte. Sogar ein Weiterverkauf von Teilnehmerdaten wäre rechtlich möglich. Die Länderparlamente, die den neuen Staatsvertrag bereits abgenickt haben oder ihn demnächst absegnen werden, zeigten sich von solchen Einwänden bisher unbeeindruckt. Kein Wunder – denn die Länderchefs höchstpersönlich haben den Vertrag ausgehandelt. Und welches Landesparlament wird seinem Landesvater bei der Abstimmung schon mehrheitlich in den Rücken fallen? Der geänderte Rundfunkstaatsvertrag kann allerdings nur in Kraft treten, wenn alle Länder zustimmen. Ansonsten müsste neu verhandelt werden.

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© Alfred Krüger http://www.akrue.de/