Google-Gründer gibt Fehler zu
Naiv und interpretationsbedürftig
„Don’t be evil – Sei nicht böse“ – so lautet das ebenso naive wie interpretationsbedürftige Unternehmensmotto, dem sich Suchmaschinen- und Werbeprimus Google seit Firmengründung zumindest informell verschrieben hat. Kritiker der Suchmaschine mit dem hehren Anspruch werfen Google Augenwischerei vor. Ein Unternehmen, das kapitalistischen Marktzwängen unterworfen und zudem an der Börse notiert sei, müsse zwangsläufig mit harten Bandagen kämpfen – gegen Mitbewerber sowieso, zuweilen aber auch gegen die eigenen Kunden. Googles unglaublicher Datenhunger sei der beste Beweis für die Doppelzüngigkeit der Suchmaschinenbetreiber. Diese Kritiker haben zumindest teilweise Recht, musste Google-Mitbegründer Sergey Brin, angesprochen auf Googles Engagement in China, kürzlich auf einer Pressekonferenz in Washington eingestehen.
Brin auf Lobbying-Tour
Sergey Brin hatte es aus dem sonnigen Kalifornien nach Washington verschlagen, weil der Google-Mitbegründer in der Hauptstadt politische Lobbyarbeit leisten wollte. Es ging um die Neutralität des Internets. Die großen US-amerikanischen Breitbandnetzbetreiber wehren sich derzeit massiv gegen parteiübergreifende Bestrebungen hochrangiger Politiker, das Prinzip der netzneutralen Datenübermittlung gesetzlich festzuschreiben. Sie fordern von den großen Internetfirmen wie Google, Amazon, Yahoo, Microsoft und eBay Gebühren für die Durchleitung ihrer Datenströme durch die eigenen Breitbandnetze. Nach der eBay-Chefin Meg Whitman, die kürzlich eine Million US-amerikanische eBay-Kunden per Email angeschrieben und zum Protest gegen diese Pläne aufgefordert hatte, sah sich offenbar auch Sergey Brin bemüßigt, in die Debatte einzugreifen.
Wegen der Chinapolitik in der Kritik
Brin hatte in Washington allerdings von vornherein einen schwierigen Stand. Wegen der Chinapolitik seines Unternehmens standen er und seine Firma im Zentrum der Kritik. Der Hauptvorwurf lautete: Google gebe seine Don’t-be-evil-Prinzipien aus Profitgründen auf und willige in die von der chinesischen Regierung geforderten Zensurmaßnahmen ein, um auf dem rapide wachsenden chinesischen Markt präsent sein zu können. Google ist im Übrigen nicht die einzige Suchmaschine, die sich ohne erkennbaren Widerstand den Wünschen der chinesischen Zensurbehörden beugte. Auch Yahoo steht wegen seines China-Engagements in der Kritik.
„Wir können vielleicht etwas ändern“
Sergey Brin hat offenbar hervorragende Berater. Wer weiß, dass er sich auf politisch wackeligem Terrain bewegt, aber trotzdem sein Anliegen durchbringen will, kann Boden am besten wiedergutmachen, wenn er seinen Kritikern zumindest ansatzweise Recht gibt und ihnen damit die Luft aus den Segeln nimmt. Deshalb darf es kaum verwundern, dass es dem Google-Mitbegründer nicht besonders schwer fiel, eigene Fehler einzugestehen. „Wir waren böse“, bekannte Brin gegenüber Reportern. „Wir hatten das Gefühl, dass wir unsere Prinzipien (durch das Engagement in China) vielleicht kompromittieren könnten“, erklärte Brin. Man habe sich dennoch für ein Nachgeben gegenüber der chinesischen Zensur entschlossen, weil man glaube, trotzdem etwas verändern zu können. Wie das funktionieren soll, wenn politisch unliebsame Webseiten und Informationen unterdrückt werden, ließ Sergey Brin offen.
Google.com in China geblockt
Natürlich hätte man auch sagen können: „Schaut her, wir bleiben bei unseren Prinzipien gegen Zensur und wir werden dort nicht tätig sein“, erklärte Brin. Aber diesen Weg werde man derzeit nicht beschreiten. Google bleibe bei seiner einmal eingeschlagenen Strategie, zumal die meisten Chinesen sowieso die unzensierte Google-Version bevorzugen würden – sofern sie überhaupt erreichbar ist. Wie die in Paris ansässige Organisation Reporter ohne Grenzen mitteilt, ist die unzensierte Google-Seite in China derzeit nicht mehr zu erreichen, weil sie von den chinesischen Behörden geblockt wird. Eigene Vorortrecherchen belegen diese Meldung: Google.com ist beispielsweise in Peking völlig aus dem Netz verschwunden.
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