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07. September 2004:

Keine Flatrate für Musik

Gerd Gebhardt, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände, hat es immer eilig – zumindest, wenn es um die Interessen der deutschen Musikindustrie und ihren Kampf gegen Musikpiraten geht. Mit Wort und Tat ist er dann schnell zur Stelle. Bei anderen Themen lässt sich der Phono-Chef zuweilen Zeit. Wenn er sich dann aber äußert, wie jüngst bei Spiegel online über das Konzept einer Kulturflatrate, dann trumpft er gleich gewaltig auf. Sieben Argumente gegen eine Flatrate für Kultur sind ihm dabei eingefallen – und keines ist der „große Wurf“.

Gebhardt lehnt Kulturflatrate kategorisch ab
Im Juni dieses Jahres wurde auf der Berliner Konferenz „Wizards of Os“ (WOS) das Konzept einer Flatrate für Kultur vorgestellt. Die Initiatoren dieses Konzepts griffen auf Vorstellungen zurück, die bereits im Februar von der US-Internet-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) entwickelt worden waren. Die US-Musikindustrie zeigte den EFF-Aktivisten damals nur die kalte Schulter. Dem WOS-Konzept ergeht es nun nicht anders. Die Forderung nach einem „Alternativen Kompensationssystem“ für die Inhaber von Urheberrechten beispielsweise an Musiktiteln lehnt Gerd Gebhardt kategorisch ab.

Das Konzept eine Kulturflatrate
Die WOS-Aktivisten hatten in ihrer Berliner Erklärung behauptet, zu ihrem Vorschlag gebe es keine vernünftige Alternative. Filesharing lasse sich nicht verbieten, und DRM-Systeme seien im Grunde nicht flächendeckend einsetzbar. Außerdem lehnten die Verbraucher das digitale Rechtemanagement ab. Man müsse sich deshalb nach Alternativen umsehen – und die einzige Alternative zum herkömmlichen System sei die Einführung einer Flatrate für Musik. Dadurch könne man einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, der Rechteinhaber und der Konsumenten erreichen. Als Grundlage für die Vergütung der Rechteinhaber könnte die Tauschhäufigkeit der einzelnen Musiktitel herangezogen werden. Den Flatratebetrag könne man als Aufschlag auf jeden Breitbandnetzzugang oder jeden MP3-Player einziehen – entsprechend den bereits existierenden Abgaben auf CD-Brenner oder Kopiergeräte.

Individuelle Bezahlmusik statt pauschaler Flatrate
Gerd Gebhardt von der deutschen Musikindustrie sieht das natürlich völlig anders. „Die Zukunft des Musikgeschäfts liegt darin, dass (…) für Musik bezahlt wird“, meint der Phono-Chef. Denn die digitalen Technologien böten ja gerade die Möglichkeiten individueller Abrechnung. Diese gelte es zu nützen, während pauschale Vergütungen nur da nötig seien, wo man eben nicht individuell abrechnen könne wie z. B. bei der analogen Kopie aus dem Radio. Die vorgeschlagenen pauschalen Abrechnungssysteme hält Gebhardt deshalb für völlig ungeeignet. Die Anarchie des Netzes sei völlig unbeherrschbar. Deshalb sei es nicht möglich, etwa durch Marktforschung herauszubekommen, welche Titel im Netz besonders häufig getauscht würden, um auf Grund solcher Ergebnisse die Künstler entsprechend zu entlohnen. Zur Überwachung der Downloads sei eine gigantische Superbehörde nötig. Eine solche Behörde sehe Gebhardt zufolge eher nach einem Treppenwitz von Bürokraten als nach einer praktikablen Lösung aus. Gebhardt vergisst an dieser Stelle, dass in Gestalt der GEMA eine solche Behörde auf deutschem Boden schon lange existiert.

Gebhardts Zahlen stimmen nicht
Auch sonst kann sich Gebhardt mit der Musikflatrate nicht anfreunden. Eine solche Flatrate sei eine „Enteignung der Rechteinhaber“. Für ihre Umsetzung fehle jede Rechtsgrundlage. Würde man sie trotzdem einführen, müssten die legalen Online-Läden mangels Nachfrage schließen. Und überhaupt sei die Kulturflatrate sehr ungerecht. Mehr als 30 Millionen Internetnutzer in Deutschland hätten nie Musik aus dem Internet gesaugt, müssten bei der Einführung einer Pauschalgebühr aber trotzdem für etwas zahlen, was sie niemals nutzen würden. Hier liegt eines der schwächsten Argumente aus Gebhardts Anti-Flatrate-Zauberkiste. Würde die Zwangsabgabe eingeführt, dann würden sich vermutlich auch mehr Internetnutzer Musik aus dem Netz herunterladen, wenn sie denn schon zahlen müssen. Außerdem stimmt Gebhardts Zahlenbasis nicht. Es geht primär nur um die Breitbandnutzer und nicht um alle 30 Millionen Nutzer, die sich größtenteils noch analog oder digital durchs Netz der Netze schleichen. Aufgrund der großen Datenmengen lohnt sich der Download von Musiktiteln für analoge oder digitale Surfer nicht. Das gilt übrigens auch für die Kundschaft der von Gebhardt propagierten legalen Online-Musikläden. Wer keine Flatrate und keinen schnellen Internetzugang hat, muss zu den Preisen, die diese Läden für ihre Downloads verlangen, noch die Onlinekosten hinzuaddieren.

Kampf mit allen legalen Mitteln
Das siebte Argument ist eigentlich gar keines, sondern die Ankündigung, dass der „Kampf gegen Musikpiraterie im Internet mit allen rechtlichen und technischen Mitteln geführt werden“ müsse. Was das im Klartext heißen kann, verrät der Phonoverbandschef nicht, dürfte aber auf der Hand liegen: Musiktauschbörsen werden weiter observiert und ihre Nutzer eingeschüchtert. Die nächste Klagewelle kommt bestimmt.

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© Alfred Krüger http://www.akrue.de/