45 US-amerikanische Staatsanwälte machen mobil. Ihre Angriffsziele heißen Kazaa, Grokster und Konsorten. Diesen Anbietern von Filesharing-Software werden mögliche rechtliche Konsequenzen angedroht, wenn sie ihre Kunden künftig nicht besser über Urheberrechtsverletzungen informieren würden. Federführend bei dieser neuerlichen Attacke gegen Peer-to-peer-Software ist wieder einmal Kaliforniens Attorney General Bill Lockyer. Der hatte bereits zu Jahresbeginn brieflich gegen die Musiktauschbörsen mobil machen wollen – und sich entsetzlich blamiert.
Post für Peer-to-peer-Firmen
Das fragliche Schreiben datiert vom 5. August dieses Jahres. Es ging an die sieben Filesharing-Firmen Kazaa, Grokster, Morpheus, Bear Share, Blubster, MetaMachine/EDonkey 2000 und Limewire sowie an Adam Eisgrau, den Geschäftsführer des Peer-to-peer-Verbandes P2P United, und wurde von den Generalstaatsanwälten aus 45 US-Bundesländern unterzeichnet. Lediglich die obersten Staatsanwälte von Alaska, Kansas, Nebraska, New Hampshire und Wyoming konnten sich mit den Inhalten des Briefes offenbar nicht anfreunden. Federführend ist der Generalstaatsanwalt von Kalifornien Bill Lockyer, der sich auch früher schon mit besonders heftigen Angriffen auf die US-amerikanischen Musiktauschbörsen hervorgetan hat.
Verschärfte Informationspflichten angemahnt
In ihrem Schreiben fordern die Generalstaatsanwälte die angeschriebenen Vertreiberfirmen von Peer-to-peer-Software auf, die Nutzer ihrer Programme verstärkt darauf hinzuweisen, dass Filesharing erstens gegen Urheberrechte verstoßen kann und dass illegales Filesharing zweitens rechtliche Konsequenzen haben könnte. Sie drohen unverhohlen mit weiteren gesetzlichen Maßnahmen gegen die Firmen, wenn sie ihren Aufklärungspflichten nicht nachkämen. User sollten obendrein auf Gefahren wie Identitätsdiebstahl sowie darauf hingewiesen werden, dass man in Tauschbörsen gegen seinen eigenen Willen mit pornografischem Material konfrontiert werden könnte. Auch über die Gefahr, dass sich Filesharer Computerviren oder Spyware einfangen könnten, sollten die Softwarefirmen künftig informieren.
Bessere Filter und keine Anonymisierung
Auch an der Filesharing-Software selbst gelte es einiges zu „verbessern“, meinen die 45 Staatsanwälte. So fordern sie die Firmen auf, bessere Filter einzubauen, um beispielsweise pornografisches Material ausfiltern zu können. Gleichzeitig warnen sie die Firmen davor, Verschlüsselungsverfahren in die Programme einzubauen, um anonymes Filesharing zu ermöglichen. „Verschlüsselung verstärkt nur die Auffassung, dass Peer-to-peer-Technologie in erster Linie für illegale Zwecke genutzt wird“, heißt es in dem Brief. „Deshalb bitten wir sie, jegliche Änderung im Design Ihrer Software zu unterlassen, die die Strafverfolgungsbehörden in unseren Bundesstaaten daran hindert, Ermittlungen durchzuführen und das Gesetz durchzusetzen.“
Juristen widersprechen
Dieses Schreiben sei ein veritables Eigentor, meinen US-Rechtsexperten wie Fred von Lohmann von der Internetbürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation. „Ich kenne kein einziges Gesetz auf bundesstaatlicher Ebene, das durch Filesharing verletzt würde“, erklärte der Anwalt. „Dieser Brief ist ein eindeutiges Beispiel für den politischen Einfluss seitens der Unterhaltungsindustrie“ – eine Einschätzung, die womöglich exakt den Kern der Sache trifft. Denn zumindest Bill Lockyer, oberster Staatsanwalt von Kalifornien, verfügt über exzellente Beziehungen zur US-Filmindustrie, die ihm lästigen Schreibkram zuweilen großzügig abnimmt.
Ghostwriter von der US-Filmindustrie
Bereits im März dieses Jahres hatte sich Lockyer mit einem scharf formulierten Brief an seine Staatsanwaltskollegen gewandt und die unkontrollierte Verbreitung von Pornografie in den Tauschbörsennetzen angeprangert. Wie das Internet-Magazin Wired News damals herausfand, hatte der kalifornische oberste Staatsanwalt diesen Brief nicht selbst geschrieben, sondern schreiben lassen. Microsoft Word ist dafür bekannt, dass in den Metadaten von Worddateien mehr gespeichert wird, als manchem User lieb sein kann. In den Metadaten der Worddatei mit dem Brief des obersten Staatsanwalts fand Wired News Hinweise, die auf die Autorenschaft eines gewissen Vans Stevenson schließen lassen können. Stevenson wiederum ist eifriger Lobbyist der Motion Picture Alliance of Amerika (MPAA), der Vereinigung der US-amerikanischen Filmindustrie, und in dieser Funktion zuständig für die "Betreuung" kalifornischer Politiker.
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