Britische Cyber-Robin-Hoods verurteilt
Von den Reichen stehlen…
Der Robin Hood des Internetzeitalters ist zwischen 29 und 39 Jahre alt und hat nebenbei noch einen bürgerlichen Beruf. Er verdient seine Brötchen beispielsweise als Bankangestellter oder Netzwerkadministrator. In seiner Freizeit stielt er von den Reichen und verteilt großzügig an die Armen. Reich und arm stehen stereotypisch für die Softwareindustrie und ihre potenziellen Kunden. Und weil man im Internetzeitalter schlecht mit Pferd und Wagen ins Dorf der Armen reiten und seine Beute den Hilfsbedürftigen einfach vor die Füße werfen kann, stellt man eine Webseite ins Netz, über die sich die Armen kostenlos das holen können, was es von den Konzernen sonst nur gegen Bares gibt. So weit das Märchen, die Realität hat die Robin-Hood-Geschichte längst überholt.
Angeklagt wegen Verschwörung
Die vier Männer, die sich vor dem Londoner Gericht Old Bailey verantworten mussten, wurden nicht wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht, sondern wegen Verschwörung zum Betrug angeklagt und am Ende auch verurteilt. Das Gericht folgte dabei in wesentlichen Punkten der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Die hatte alles getan, um die Taten der vier Angeklagten in den schwärzesten Farben zu malen. Die Angeklagten hätten zwar mit ihren Taten kein Geld verdienen wollen, erklärte Staatsanwalt Bruce Houlder, aber das sei beileibe keine Entschuldigung und deshalb auch nicht strafmildernd. „Sie mögen sich ja als heutige Robin Hoods sehen, die von den Reichen stehlen, um es den Armen zu geben, aber in Wirklichkeit ist das nur ein Deckmantel für ihren Betrug“, führte Houlder vor Gericht aus.
Mitten ins Herz der Softwareindustrie
Die Aktivitäten der Vier hätten das Herz der Softwareindustrie getroffen, machte sich Richter Focke am Ende die Argumentation der Staatsanwaltschaft zu Eigen. Die Verluste, die die Softwareindustrie durch Raubkopien erleide, seien beträchtlich. Der Schaden, den die vier Angeklagten verursacht hätten, sei zwar nicht quantifizierbar, die Auswirkungen auf die Wirtschaft als Ganzes und das Leben der Angestellten in der Softwareindustrie seien allerdings katastrophal. Angestellte hätten ihre Jobs verloren, Softwarenunternehmen Millionen an Profiten eingebüßt. Das alles sei nur geschehen, weil die vier Angeklagten erstens einen Hass auf die Softwareindustrie hätten und sich zweitens in der Szene gerne als diejenigen hätten feiern lassen wollen, die ein neues Programm als Erste gecrackt hätten.
Verfahren künstlich aufgebläht?
Die Verteidiger mochten solchen Argumenten natürlich nicht folgen. Sie erklärten, das ganze Verfahren sei künstlich und kostenintensiv aufgebläht worden. Man müsse sich die ernste Frage stellen, warum die Angeklagten nicht einfach nur der Urheberrechtsverletzung, sondern gleich der globalen Verschwörung bezichtigt würden. Man habe deshalb zeitaufwändige Beweisaufnahmen durchführen müssen. Außerdem seien die konkreten Schäden nicht bezifferbar. Kommerzielle Absichten hätten den Angeklagten fern gelegen.
Bisher größtes Verfahren gegen Softwarepiraten
Das bisher größte Verfahren gegen Softwarepiraten in Großbritannien dauerte rund ein halbes Jahr. Die Verhaftung der Angeklagten erfolgte im Rahmen einer konzertierten Aktion zwischen der britischen National Hi-Tech Crime Unit und US-amerikanischen Behörden, die vor vier Jahren begann. Sie führte zur Verhaftung von insgesamt acht Briten und im Endergebnis schließlich zur Verurteilung der angeklagten Cyber-Robin-Hoods. „Sie sehen sich selbst als Stars“, erklärte Staatsanwalt Houlder abschließend dem Gericht. „Aber in Wahrheit ist ihr Leben ziemlich traurig so, wie sie große Teile ihrer Tage und Nächte in einer virtuellen Welt verbringen, vor einem Computermonitor, vom wirklichen Leben abgeschottet.“ Der Staatsanwalt hat Recht. Im Gegensatz zu den verurteilten vier Online-Robin-Hoods hatte ihr Pendant aus dem Sherwood Forest keine Monitore und PCs, stattdessen aber eine Offline-Lady Marian…
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