Auf der Suche nach möglichst effektiven Methoden, um illegales Filesharing zu unterbinden, ist der britischen Musikindustrie offenbar so manches Mittel recht. So forderte die British Phonographic Industry (BPI) kürzlich die beiden britischen Internetservice Provider Tiscali und Cable & Wireless auf, umgehend die Accounts etlicher ihrer Kunden zu sperren. Die BPI lieferte den beiden Providern selbstverständlich die IP-Adressen der vermeintlichen Tauschbörsennutzer. Nur eines lieferte sie nicht: eindeutige Beweise. Nur in einem Fall konnte belegt werden, dass der entsprechende Nutzer Dateien über die Peer-to-peer-Börse Kazaa getauscht hatte. Tiscali lehnt die Schließung der fraglichen Kundenaccounts rigoros ab.
„Not amused“
Die britische Musikindustrie zeigte sich „not amused“. Internetservice Provider Tiscali dulde Urheberrechtsverletzungen seiner Kunden, hieß es in einer Presseerklärung der BPI. Der Grund: Tiscali hatte sich geweigert, die Accounts von Kunden zu sperren, von denen die BPI behauptet, sie wären illegale Filesharer. Tiscali feuerte mit gleichem Kaliber zurück. Solange die BPI keine hinreichenden Beweise liefere, werde man dem Ansinnen der Musikindustriellen in keinem Falle nachkommen. Entsprechendes gilt für den britischen Internetservice Provider Cable & Wireless. Hier wollte die BPI gleich 42 Musikpiraten entdeckt haben. Bei Tiscali waren es „nur“ siebzehn.
Keine Beweise
„Für die 17 Nutzer, die angeblich illegal Musik herunter geladen haben, hat BPI nur für einen Beweise erbracht“, erklärte Neal McCleve, bei Tiscali für Kundenaktivitäten zuständig. Diesem Kunden wird Tiscali tatsächlich den Account sperren, heißt es von Seiten des Providers. Die persönlichen Daten des fraglichen Nutzers würden jedoch nicht weitergegeben. Dazu bedarf es in Großbritannien ebenso wie in der Bundesrepublik eines Gerichtsbeschlusses.
“Copyright-Verstöße in industriellem Ausmaß“
Ebenso wie ihre europäischen und US-amerikanischen Kollegen hat die britische Musikindustrie bisher immer den Weg der individuellen Klage beschritten, um mutmaßliche Musikpiraten zur Verantwortung zu ziehen. In Großbritannien wurden mittlerweile 139 solcher Verfahren eingeleitet. Dass nun auch Internetservice Provider in die Verantwortung genommen werden und zur Sperrung von Anschlüssen mutmaßlicher Musikpiraten aufgefordert werden, ist ein Novum, das Peter Jamieson von der BPI folgendermaßen begründet: „Es ist inakzeptabel für ISPs die Augen vor Copyright-Verstößen in industriellem Ausmaß zu verschließen.“ Die Internetservice Provider sollten gefälligst endlich Ordnung in ihr Haus bringen und den Musikpiraten schleunigst den Stecker ziehen.
Vorbild für deutsche Musikindustrie?
Über die rechtlichen Anforderungen an eine solche Account-Sperrung auf Zuruf denkt der umtriebige Jamieson offenbar nicht nach. Deshalb kann er den althergebrachten Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“ leichten Herzens ignorieren. Auch Beweise sind dann nicht mehr nötig – exakt so, als ginge es um ein höheres Recht, das alle anderen Rechte außer Kraft setzt. Dabei geht es Jamieson und seinen Mitstreitern im Grunde nur um die möglichst reibungslose Durchsetzung eigener Profitinteressen. Es steht zu befürchten, dass dieses Beispiel Schule macht. „Gegenwärtig beobachten wir mit großem Interesse das Vorgehen unserer britischen Kollegen“, heißt es bereits von den Deutschen Phonoverbänden. Man darf schon jetzt gespannt sein, wann die deutschen Musikindustriellen das bisher in Großbritannien fehlgeschlagene Bracchialverfahren testen – und wie die deutschen Interprovider reagieren werden.
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