Abzocke mit .eu-Domains
Kein Herz für Domaingrabber
Keine Chance für Domaingrabber! So lautete der hehre Grundsatz, den sich die unabhängige Brüsseler Vergabestelle für .eu-Domains EURid auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Ein ausgeklügeltes Registrierungsverfahren sollte sicherstellen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. So wurde der Registrierung für jedermann eine Einführungsphase vorgeschaltet, in der die Inhaber von Markenrechten und so genannter „früherer Rechte“ ihren Wunschnamen schon vorab beantragen konnten. Davon wurde reger Gebrauch gemacht.
Schlupfloch im deutschen Markenrecht
Knapp 340.000 Anmeldungen für ca. 242.000 Webadressen gingen schon in der ersten Registrierungsphase ein. Otto-Normal-EU-Bürger hatte deshalb gerade bei den begehrtesten Namen wie beispielsweise sex.eu kaum eine Chance. Solche „generischen“ Begriffe waren längst vergriffen. Die Entscheidung darüber, wer am Ende den Zuschlag für einen Namen bekommen sollte, oblag den unabhängigen Markenrechtsexperten der Firma PricewaterhouseCoopers. Sie prüften jeden Antrag und mussten sich dabei selbstverständlich an geltendes Recht halten – ungeachtet der Tatsache, dass immer deutlicher wurde, dass beispielsweise das deutsche Markenrecht ein Schlupfloch besitzt, durch das sich die Domaingrabber reihenweise und mit Kusshand zwängten.
hotels und shopping für 400.000 Euro
Das tatsächlich Domaingrabber und nicht Inhaber „früherer Rechte“ am Werk waren, zeigen die aktuellen Verkaufsergebnisse der Domainplattform sedo.de. Hier gingen beispielsweise die Domainnamen hotels.eu und shopping.eu über den virtuellen Verkaufstresen. Der ursprüngliche Inhaber dieser Domainnamen darf sich über insgesamt 400.000 Euro freuen. Dass es sich dabei um so genannte generische oder Gattungsbegriffe handelt, scheint die EURid-Vergabestelle nicht gestört zu haben. Auch die Prüfer bei PricewaterhouseCooper hatten nichts zu beanstanden – mit Recht.
Ausgestopfte Vögel
Die Domaingrabber machten sich bei ihren Vergabeanträgen eine Lücke im deutschen Markenrecht zunutze. Jeder Markenname muss bei seiner Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt einer von 42 Markenklassen zugeordnet werden. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen ist es nicht erlaubt, allgemein beschreibende Begriffe wie „Auto“ oder „Casino“ gerade in den Klassen eintragen zu lassen, in die diese Begriffe inhaltlich eigentlich hineingehören. Trotzdem kann man auch solche generischen Begriffe wirksam schützen lassen, indem man sie kurzerhand in völlig abwegigen Markenklassen einträgt und anmeldet. Der Begriff „Recht“ wurde beim Münchener Patent- und Markenamt etwa in den Klassen 20/21 unter „Ausgestopfte Vögel und Zahnstocher“ angemeldet.
Rechtlich nicht zu beanstanden
Rechtlich ist an dieser Anmeldepraxis nichts zu beanstanden. „Grundsätzlich kann unter Berücksichtigung des Markengesetzes jedes Wort als Wortmarke für bestimmte Waren- oder Dienstleistungsklassen eingetragen werden“, erklärt Christine Scheumann vom Deutschen Patent- und Markenamt. Das Patent- und Markenamt prüfe lediglich, ob der Begriff schlüssig und fantasievoll im Sinne der Abgrenzung von Mitbewerbern gewählt sei. Den Experten von PricewaterhouseCooper blieb deshalb gar nichts anderes übrig, als die fraglichen Registrierungsanträge zu akzeptieren. Schließlich kann letztlich niemand wissen, ob nicht auf recht.eu irgendwann tatsächlich ausgestopfte Vögel oder Zahnstocher der Marke „Recht“ angeboten werden„Was das Domainvergabe-Verfahren betrifft, dürften die Antragsteller hier wohl eine Lücke ausgenützt haben“, meint Scheumann.
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