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15. Februar 2006:

Gottvertrauen statt Statistik

Deutsche Unternehmen und Verbraucher sind äußerst skeptisch, wenn es um die Zukunft des eCommerce geht. Im Gegensatz zu England, Frankreich und den USA, wo satte 86 Prozent der Unternehmen ihre Online-Transaktionen als sicher einstufen, meinen dies in Deutschland gerade einmal 64 Prozent der befragten Unternehmen. Auch im Hinblick auf die künftige Geschäftsentwicklung sehen deutsche Unternehmer schwärzer als die Konkurrenz in anderen Ländern. 62 Prozent der US-Unternehmen konnten im letzten Jahr Umsatzsteigerungen verbuchen, in Deutschland sind es müde 34 Prozent – sofern die Studie, die kürzlich auf der RSA-Konferenz im kalifornischen San Jose vorgestellt wurde, die Wirklichkeit statistisch auch tatsächlich widerspiegelt. Begründete Zweifel sind erlaubt – und nötig.

Studien vom Grabbeltisch der Marketingabteilungen
Studien zum Thema Sicherheit im Internet haben derzeit Konjunktur. Die Global Player der Sicherheitsbranche veröffentlichen ihre mehr oder weniger fundierten Analysen wie am Fließband. Die Ergebnisse werden in reißerisch formulierte Pressemeldungen gegossen und von den Medien meist kritiklos wiedergekäut. Kritische Fragen zur Methodik und Durchführung solcher Studien vom Grabbeltisch der Marketingabteilungen sucht man meist vergeblich. Die Berichterstattung über die jüngste Studie der US-Intersicherheitsfirma RSA Security zum Thema „Sicherheit von eCommerce aus der Sicht von Unternehmen und Verbrauchern“ macht hier keine Ausnahme. Die Studie wurde auf der RSA-Konferenz im kalifornischen San Jose vorgestellt, und selbst ansonsten seriöse Medien griffen die Ergebnisse dieser Studie kritiklos auf. Die Frage nach der Aussagekraft dieser Untersuchung wurde nirgendwo gestellt. Dabei enthält die RSA-Pressemitteilung schon genügend Informationen, um die Studie als das abzustempeln, was sie auf Grund ihrer Methodik offenbar auch ist: eine nicht repräsentative Online-Umfrage, die den zweifelhaften Charme des Zufälligen besitzt. Statistisch abgesicherte Ergebnisse kann man auf Grund der viel zu geringen Zahl an Befragten von einer solchen Studie nicht erwarten.

„Wir liefern direkt verwertbares Wissen“
Die fragliche Studie wurde im September und Dezember letzten Jahres von der US-amerikanischen Momentum Research Group durchgeführt. Dabei handelt es sich keineswegs um ein unabhängiges Umfrageinstitut, sondern um eine private Firma, die ihr Hauptaufgabenfeld im Bereich Unternehmensberatung sieht. Ein Blick in die Firmenwebseite offenbart ein ansehnliches Portfolio. Die Momentum Research Group zählt zu ihren Kunden so renommierte Unternehmen wie AMD, Cisco Systems, Hewlett Packard oder Sun Microsystems. Diesen und anderen Unternehmen verkauft sie „direkt verwertbares Wissen“, um den Geschäftserfolg ihrer Kunden zu erhöhen. Mit anderen Worten: Die Momentum Research Group liefert ihren Kunden Marketingkonzepte. Sie führt Umfragen durch und verpackt die Ergebnisse anschließend so, dass sie für ihre Auftraggeber einen marktstrategischen Nutzen haben. Wissenschaftliche Exaktheit und empirische Genauigkeit kommen dabei schnell unter die Räder und werden offenbar auch gar nicht angestrebt, wie die auf der RSA-Konferenz vorgestellte Studie mit dem umständlichen Titel „Internet Confidence Index Shows That – for Business and Consumers – Transactions Are Outpacing Trust“ (Der Internet-Vertrauens-Index zeigt, dass – für Unternehmen und Konsumenten – die Geschäftszahlen höher sind als das Vertrauen) belegt.

Gottvertrauen statt Statistik
Große Mühe haben sich die Forscher der Momentum Research Group bei ihrer eCommerce-Studie offenbar nicht gegeben. Zumindest haben sie die Grundgesamtheit der befragten Unternehmer und Verbraucher reichlich klein gehalten. Befragt wurden in den Ländern USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland insgesamt lediglich 601 Geschäftsleute, die Internethandel betreiben, sowie insgesamt 603 Konsumenten. Geht man bei der Konsumentenbefragung davon aus, dass in den vier untersuchten Ländern in etwa gleich viel Personen befragt wurden, bedeutet dies, dass die Ergebnisse beispielsweise für Deutschland auf einer Grundgesamtheit von rund 150 befragten Personen beruhen. Laut ARD/ZDF-Online-Studie waren im Jahr 2005 rund 37,5 Millionen Deutsche ab 14 Jahren online. Befragt wurden somit lediglich 0,0004 Prozent der deutschen Internetnutzer. Es gehört schon eine gehörige Portion Gottvertrauen dazu, wenn die Verantwortlichen den Ergebnissen ihrer Studie trotzdem irgendwelche Gültigkeit beimessen wollen. Selbst für eine Vorstudie zum Testen des eigenen Umfrageinstrumentariums wäre die Zahl der befragten Internetnutzer vermutlich noch zu klein. Als schön verpacktes Medienfutter sind solche Studien aber offenbar immer noch perfekt geeignet.

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© Alfred Krüger http://www.akrue.de/