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17. Oktober 2006:

Klagen, nichts als Klagen

Die deutsche Musikindustrie macht wieder mal mobil. Eltern haften als Anschlussinhaber für illegale Angebote ihrer Kinder in Tauschbörsen, heißt es in einer Presseerklärung, mit der die Deutsche Landesgruppe des internationalen Musikindustrieverbands IFPI das Tauschbörsenproblem und die „gnadenlose“ Haltung der Rechteinhaber erneut ins Licht der Öffentlichkeit hieven möchte – mit Recht. In den Medien war es in den letzten Monaten deutlich stiller geworden, wenn es um Tauschbörsen und Gerichtsverfahren gegen deren Nutzer ging. Das möchte die Musikindustrie nun gerne wieder ändern. Deshalb präsentiert sie in ihrer neuerlichen Presseerklärung ein paar „spektakuläre“ Einzelfälle und nennt Zahlen, die nicht überprüfbar sind.

„Niemand ist anonym“
Die Botschaft, die die Deutsche Landesgruppe der IFPI gern unters noch immer tauschwillige Volk bringen möchte, ist klar: „Niemand, der illegal anbietet, bleibt im Netz anonym.“ Die Rechteinhaber seien entschlossen, „sich mit den verfügbaren rechtlichen Mitteln zu wehren“, heißt es in der neuesten Presseerklärung der Musikindustrielobby. Mit eindrucksvollen Zahlen versucht der Verband, diese Botschaft zu untermauern. Seit Beginn der internationalen Kampagne gegen mutmaßliche Musiktauschbörsennutzer im März 2004 seien in Deutschland rund 11.500 Fälle von Urheberrechtsverletzungen zur Anzeige gebracht worden. Gern zählt die Deutsche Landesgruppe auch die Verfahren gegen eDonkey-Nutzer hinzu, 3.500 an der Zahl, die im Mai dieses Jahres eingeleitet wurden.

Zahlenspiele?
Belege für die genannten Fallzahlen präsentiert die Deutsche Sektion der IFPI nicht. Um so mehr erstaunt die Zahl von angeblich 11.500 Fällen von Urheberrechtsverletzungen. Noch im Mai dieses Jahres hatte Peter Zombik, Geschäftsführer der Deutschen Landesgruppe der IFPI, heise online zufolge ganz andere Zahlen genannt. Im Zusammenhang mit den Massenklagen gegen eDonkey-Nutzer erklärte Zombik, man habe bis Mai 2006 „insgesamt rund 4000 Strafanträge“ gegen Filesharer gestellt. Addiert man die eDonkey-Fälle hinzu, kommt man auf 7.500 Anzeigen. Folglich müssten bis heute noch einmal 4.000 Fälle aktenkundig gemacht worden sein, also etwa 1.000 Verfahren pro Monat – eine sehr unwahrscheinliche Zahl.

4.200.000 Euro für die Musikindustriellen
Von den angeblich 11.500 Fällen wurden laut IFPI bisher 1.400 Verfahren abgeschlossen. Dabei kam es offenbar in aller Regel zu einem Vergleich zwischen den Anwälten der Musikindustrie und den mutmaßlichen Tauschbörsennutzern. Die durchschnittliche Vergleichssumme soll 3.000 Euro betragen haben. In Einzelfällen habe man gar 15.000 Euro verlangt und auch bekommen, heißt es in der Presseerklärung. Die Rechteinhaber haben somit rund 4,2 Millionen Euro an Vergleichsgeldern einkassiert – eine stattliche Summe, die mit CD-Verkäufen erst einmal verdient sein will.

Noch 10.000 anhängige Verfahren?
Die übrigen Verfahren seien noch bei den Staatsanwaltschaften anhängig, erklärt die IFPI und wirft neue Fragen auf. Rund 10.000 derzeit bei den bundesdeutschen Staatsanwaltschaften noch anhängige Verfahren? Ein bisschen präziser hätte es der geneigte Leser dieser Presseerklärung nun aber doch schon gehabt. Keine Antwort gibt der Deutsche Landesverband zudem auf die Frage, wie viele Verfahren von deutschen Staatsanwaltschaften bisher wegen Geringfügigkeit eingestellt worden sind. Darüber schweigt sich der Musikindustrieverband aus. Denn eine solche Aussage würde Wasser auf die Mühlen derjenigen bedeuten, die sich beim zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle für die Einführung einer Bagatellklausel stark machen.

Eltern haften für ihre Kinder
Natürlich präsentiert die Deutsche Landesgruppe der IFPI auch einige Einzelfälle, die sie für besonders spektakulär hält. Ein Oberbürgermeister sei als Filesharer „identifiziert“ worden. Er habe 3.500 Euro an die Rechteinhaber überweisen müssen. 10.000 Euro musste ein EDV-Techniker zahlen, der 2.843 Einzeltitel im Angebot hatte. Hinzu kam ein Strafbefehl über 90 Tagessätze zu 30 Euro. Auch eine norddeutsche Grundschule hat offenbar getauscht. Mehrere Hundert Titel sollen über Schulcomputer via Bearshare im Netz angeboten worden sein. Daneben habe man etliche Minderjährige überführen können, heißt es in der IFPI-Presseerklärung. Eltern haften als Anschlussinhaber für ihre Kinder, freut sich der Verband.

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© Alfred Krüger http://www.akrue.de/