Pleiten, Pech und Vetternwirtschaft?
Fairplay?
Stutzig wurde Blogger Chris, der das Weblog F!XMBR betreibt und seinen kompletten Namen „nicht durchs Internet getragen“ wissen will, durch eine Pressemeldung, die er am 24. Mai im Online-Medienmagazin DWDL entdeckte. Mitgeteilt wurde hier, dass das bereits preisgekrönte Internetangebot „Elektrischer Reporter“ des Journalisten Mario Sixtus für den Grimme Online Award nachnominiert worden sei. Der Clou dieser Nachnominierung: Sixtus selbst war Mitglied in der Jury. Der Vorschlag zur Nachnominierung wurde von einem anderen Jury-Mitglied eingebracht, versichern die Veranstalter. Sixtus selbst schied vor der Debatte über seine Nominierung aus der Jury aus – Fairplay, könnte man meinen. Doch Blogger Chris mochte das nicht glauben und hakte nach.
F!XMBR verlangt Aufklärung
„Natürlich kann man da - ganz im Fairplay-Gedanken – aus der Jury zurücktreten“, kommentierte Chris den Vorgang und fügte ironisch hinzu: „Und natürlich hat man untereinander als Jury auch überhaupt keinen Kontakt – wie kann ich nur auf derartige Gedanken kommen?“ Anschließend redete der Blogger „Tacheles“, sprach von „Gemauschel“ und „Vetternwirtschaft“, schrieb einen Brief an Friedrich Hagedorn, Projekt- und Referatsleiter Medienbildung beim Grimme Institut, und verlangte Aufklärung.
Klarstellung des Grimme-Instituts
Die Verantwortlichen im Grimme Institut benötigten eine knappe Woche, um auf die kritische Anfrage zu reagieren. Auf der Webseite des Grimme Online Awards wurde am 30. Mai eine sogenannte Klarstellung veröffentlicht – ihr Autor: Uwe Kammann, Direktor des Adolf-Grimme-Instituts. Kammann verwahrte sich gegen den Vorwurf der „Günstlingswirtschaft“. „Die Berufung der Nominierungskommission und Jury aus Online-Experten, welche als Berater oder Autoren vielfältig tätig sind, birgt unvermeidlich das Risiko, dass sie in unterschiedlicher Form für Web-Angebote, die auch für den Grimme Online Award vorgeschlagen werden, verantwortlich sein können“, leitete Kammann seine „Klarstellung“ ein.
Kaffee und Kuchen für die Jury?
Den Ablauf des Nachnominierungsprozesses schildert Kammann mit folgenden Worten: „Als - wie üblich - zu Beginn der Jurysitzung mögliche Nachnominierungen erörtert wurden und dabei der Vorschlag gemacht wurde, auch den “Elektrischen Reporter” in die möglichen drei Nachnominierungen einzubeziehen, trat Mario Sixtus sofort von der Jury-Mitgliedschaft zurück. Weder hat er seinen “Elektrischen Reporter” vorgeschlagen, noch hat er an einer Diskussion und Entscheidung der Jury teilgenommen.“ Chris reichte diese Erklärung nicht aus. „Aha, Mario hat also zumindest an der Sitzung teilgenommen, in der er selbst nominiert wurde. Soll ich das nächste Mal vielleicht Kaffee und Kuchen reichen, oder gehts so?“, kommentierte Blogger Chris sarkastisch und blieb bei seiner Mauschelei-Behauptung. Er schlug Sixtus vor, die Nominierung einfach zurückzuziehen. „Der elektrische Reporter“ sei qualitativ herausragend und hätte auch im nächsten Jahr noch gute Chancen auf einen Preis.
Weitere Ungereimtheiten
Mittlerweile reagierten auch andere Weblogs auf die Kritik aus dem Hause F!XMBR. Auf eine direkte Antwort aus Marl, dem Sitz des Grimme-Instituts, musste Blogger Chris allerdings noch bis zum 7. Juni warten. Kammann verwahrte sich noch einmal gegen die Mauscheleivorwürfe und verwies ansonsten auf die von ihm bereits veröffentlichte „Klarstellung“. Chris versprach eine Antwort, die er allerdings erst am 18. Juni veröffentlichte. Die wenigsten Blogger führen schließlich ihre Weblogs hauptberuflich. Chris waren noch weitere Ungereimtheiten im Umfeld des Awards aufgefallen, über die er das Grimme Institut informierte. Sein Blogbeitrag schloss mit der zynischen Empfehlung, den Grimme Online Award trotzdem an Sixtus zu verleihen.
Sieger vorab veröffentlicht
Die letzte Pleite in diesem von Ungereimtheiten begleiteten Nominierungs- und Abstimmungsprozess geschah am 17. Juni. Offenbar auf Grund eines Versehens wurden bereits an diesem Tag auf den Webseiten des Grimme Instituts die Preisträger vorab verraten. Darunter befand sich auch „Der elektrische Reporter“. „Diese Panne passt zu einer Serie von Merkwürdigkeiten, mit der der Preis für ‚qualitativ hochwertige Websites“ in diesem Jahr auf sich aufmerksam machte“, schreibt Detlef Borchers bei heise online – eine Einschätzung, der nichts mehr hinzuzufügen ist.
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