Doppelte Entschädigung für Musikindustrie?
Ein Weblog schafft Öffentlichkeit
Das US-Weblog „Recording Industry vs The People“ hat es sich zum Ziel gesetzt, ausführlich über die Verfahren der US-amerikanischen Musikindustrie gegen mutmaßliche Tauschbörsennutzer zu berichten. Es wird von einer Reihe von US-Bürgerrechts- und Verbraucherschutzorganisationen sowie von Netzaktivisten unterstützt. Ziel ist es, die Verfahren öffentlich zu machen. Das ist den Betreibern des Weblogs bisher vielfach gelungen. Erst durch die ausführliche Dokumentation von Einzelfällen wurden auch größere US-Medien auf zum Teil aberwitzige Fälle wie jenen der New Yorkerin Marie Lindors aufmerksam, die Musiktitel getauscht haben soll, obwohl sie keinen PC besitzt. Auch über den Fall des Texaners David Greubel berichtet das Weblog nun in aller Ausführlichkeit.
Schaden zu hoch angesetzt
Beide Fälle haben insofern miteinander Ähnlichkeit, als auch Greubels Anwalt die Höhe des von den Anwälten der Musikindustrie verlangten Schadensersatzes pro angebotenem Song in Frage stellt. Die Musikindustrie stellte Greubel wie Lindors einen statutarischen Pauschalschaden in Höhe von 750 US-Dollar pro Musikdatei in Rechnung. Das sei zu hoch, behauptet Greubels Anwalt. Er geht von einem Verkaufswert von 70 Cent pro Song aus. So viel würde die Musikindustrie an einem legal verkauften Download verdienen. Realistisch sei deshalb allenfalls ein Schaden von vielleicht 2,80 US-Dollar pro Song, wenn man unterstelle, dass eine angebotene Datei möglicherweise viermal heruntergeladen wurde. Mehr als das Tausendfache des Online-Erlöses als Schaden anzusetzen, grenze jedoch an Wucher.
Kazaa hat den Schaden schon ersetzt
Das Hauptargument, mit dem sich Greubel gegen die Vergleichsangebote der Musikindustrie zur Wehr setzt, ist jedoch die Tatsache, dass der Schaden, der der US-Musikindustrie möglicherweise durch den Tausch illegaler Musiktitel über die Tauschbörse Kazaa entstanden sein könnte, längst abgegolten ist. Sharman Networks, der Betreiber der Musiktauschbörse, hatte sich im Juli dieses Jahres mit der RIAA, dem US-Musikbranchenverband, bereits auf eine Schadensersatzzahlung von 115 Millionen US-Dollar geeinigt. Mit dieser Summe sollten die Urheberrechtsverstöße abgegolten werden, die Kazaa-Nutzer begangen hatten.
Keine doppelte Entschädigung
„Durch die Einigung mit Sharman Networks haben die Kläger einen Vergleich akzeptiert, in dem sie bereits voll für die Schäden ausbezahlt wurden, die von Greubel und anderen angeblich verursacht wurde“, argumentiert Greubels Anwalt. Würde Greubel zur Schadensersatzzahlung verurteilt, bedeutete dies, dass die Musikindustrie für ein und denselben Schaden doppelt entschädigt würde. Das Verfahren, das vor einem texanischen Bezirksgericht läuft, ist derzeit noch nicht beendet. Sollte sich das Gericht jedoch Greubels Meinung anschließen, hätte die Musikindustrie auch in anderen Fällen das Nachsehen. Denn auch die Betreiber etwa der Tauschbörse Bearshare haben bereits an die Musikindustrie 30 Millionen US-Dollar Schadensersatz gezahlt. Entsprechendes gilt für eDonkey2000. Nur ertappte eMule-Nutzer gingen „leer“ aus. eMule ist ein Open-Source-Client und wurde bisher juristisch noch nicht belangt.
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