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21. Februar 2006:

Grünes Licht für Datenspeicherung auf Vorrat

Der EU-Ministerrat Justiz und Inneres hat der geplanten EU-weiten Speicherung sämtlicher Telefonie- und Internetverbindungsdaten zugestimmt. In der letzten Woche hatte sich bereits der Deutsche Bundestag mehrheitlich für eine so genannte „Speicherung mit Augemaß“ ausgesprochen. Die geplante Regelung soll insbesondere im Bereich Terrorismus und Kinderpornografie eine effektivere Strafverfolgung ermöglichen.

Richtlinie wurde durchgewunken
Für den EU-Ministerrat war die Thematik „Datenspeicherung auf Vorrat“ offenbar kein sonderlich heißes Eisen. Relativ unproblematisch wurde die vom EU-Parlament bereits im Dezember letzten Jahres verabschiedete Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durchgewunken. Nur Irland und die Slowakei stimmten gegen die EU-Richtlinie. Aber auch die Justiz- und Innenminister dieser beiden Länder haben keine grundsätzlichen Bedenken gegen die geplante Datenspeicherung aller Telefonie- und Internetverbindungsdaten. Sie zweifeln lediglich das Richtlinienverfahren und die Rechtsgrundlage an.

Bekämpfung von Terrorismus und Schwerstkriminalität
Die nunmehr verabschiedete Richtlinie verpflichtet die EU-Staaten zum gesetzgeberischen Handeln. Innerhalb der nächsten achtzehn Monate müssen die Landesregierungen die Richtlinie in eigene Gesetze gegossen haben, die der Vorgabe aus Brüssel folgen. Danach sollen die Telefonie- und Internetverbindungsdaten sechs bis höchstens 24 Monate gespeichert werden. In Fällen von Terrorismus und Schwerstkriminalität sollen die zuständigen Ermittlungsbehörden Zugriff auf diese Daten bekommen. Ziel dieses gesetzgeberischen Vorstoßes zur vorsorglichen Überwachung von insgesamt 450 Millionen Europäern ist es, den internationalen Terrorismus sowie Schwerstkriminalität besser bekämpfen zu können.

Keine stichhaltige Begründung
Auch während der Bundestagsdebatte um die Vorratsdatenspeicherung wurden diese beiden Ziele immer wieder zur Rechtfertigung der geplanten verdachtsunabhängigen Überwachung der Telefonie- und Internetverbindungsdaten genannt. „Die besondere Bedeutung der Telekommunikationsverkehrsdaten für eine wirksame Strafverfolgung ist unbestritten“, heißt es im entsprechenden Antrag, der von Abgeordneten der Großen Koalition eingebracht worden war. Die bereits jetzt existierende Befugnis der Strafverfolgungsbehörden, entsprechende Auskünfte von Diensteanbietern bekommen zu können, habe sich „in vielen Kriminalitätsbereichen als hilfreich für eine effektive Strafverfolgung erwiesen“. Dieses Ermittlungsinstrument sei unverzichtbar. Konkrete Gründe, warum die bis dato geltende Rechtslage geändert werden sollte, blieben die Abgeordneten der Regierungskoalition allerdings schuldig.

Ist Totalüberwachung verhältnismäßig?
Im schwarz-roten Antrag wurde lediglich darauf hingewiesen, dass die Ermittlung von Internetverbindungsdaten insbesondere deshalb schwierig sei, weil viele Provider bei Flatrates keine Verbindungsdaten mehr speichern würden. Zu Abrechnungszwecken werden diese Daten nämlich nicht gebraucht. Dies sei „auf Grund der zunehmenden Verbreitung von Pauschaltarifen (…) immer häufiger der Fall“. Zahlen werden nicht genannt – aus gutem Grund. Denn beispielsweise Deutschlands größter Internetprovider T-Online speichert bekanntlich rigoros auch bei seinen Flatratekunden sämtliche Verbindungsdaten ab. Im Einzelfalle hänge die Wirksamkeit der Ermittlungsmaßnahme „von dem jeweils zwischen dem Kunden und dem Diensteanbieter vereinbarten Tarifmodell ab“, heißt es im Antrag. Es stellt sich die Frage, ob mit einem oberflächlichen Hinweis auf solche Einzelfälle tatsächlich die Kosten und der Nutzen einer Überwachungsregelung begründet werden können, die mehr als achtzig Millionen Menschen in Deutschland betrifft. Die Protagonisten der Vorratsdatenspeicherung müssen sich fragen lassen, ob ihr Vorhaben verhältnismäßig ist.

Erst die gesetzliche Regelung, dann die Evaluation?
Lediglich wie eine Pflichtübung klingt es, wenn es im Antrag der Großen Koalition heißt, dass im Rahmen der durch die Europäische Kommission zu erwartenden Evaluation der fraglichen Regelungen geprüft werden solle, „ob es nicht Alternativen zur Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat für die Zwecke der Strafverfolgung gibt“. Bis jetzt kamen alternative Verfahren wie das in den USA praktizierte „Quick Freeze“ in der Diskussion allenfalls am Rande vor. Quick Freeze ist laut Wikipedia ein Verfahren, mit dem Telekommunikationsdaten für Zwecke der Strafverfolgung vorübergehend gesichert werden können.

Quick Freeze als Alternative?
Will eine Strafverfolgungsbehörde auf diese Daten zugreifen, benötigt sie einen richterlichen Beschluss. Um zu verhindern, dass die fraglichen Daten in der Zwischenzeit möglicherweise gelöscht werden, erlassen die Strafverfolger eine so genannte Speicheranordnung. Das routinemäßige Löschen von Dateien wird dadurch unterbunden. Sobald der richterliche Beschluss vorliegt, kann die Behörde auf diese Daten zugreifen – ein praktikables, zudem kostengünstiges Verfahren, das – bezogen auf die EU – außerdem den Vorteil hätte, dass nicht 450 Millionen Europäer unter Pauschalverdacht gestellt werden müssten. Ein Paradigmenwechsel im Strafrecht, wie er jetzt tendenziell vollzogen wird, müsste nicht stattfinden. Es würde auch weiterhin die pauschale Unschuldsvermutung gelten.

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© Alfred Krüger http://www.akrue.de/