Neuer Streit um Softwarepatente
Bedenken der Softwaregegner erfüllen sich
Es ist fast auf den Tag ein Jahr her, dass das europäische Parlament in Brüssel der so genannten Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen, kurz: den Softwarepatenten, mit großer Mehrheit eine Abfuhr erteilte. Die Kritiker der geplanten Softwarepatente befürchteten allerdings schon damals, dass die gefällte Entscheidung nur vorübergehender Natur sei. Insbesondere forderten sie eine strengere Kontrolle der Vergabepraxis von Patenten durch das Europäische Patentamt in München. Die Bedenken der Kritiker scheinen sich jetzt zu erfüllen.
McCreevy für europäisches Patentgericht
Die Diskussion um Softwarepatente war bereits Mitte Juli wieder aufgeflammt. Unter Leitung des konservativen EU-Binnenmarktkommissars Charlie McCreevy hatte es damals eine Anhörung der Europäischen Kommission zum Thema gegeben. Gegner und Befürworter waren zu Wort gekommen und hatten sich heftige Wortgefechte geliefert. McCreevy hatte versucht, die Wogen zu glätten. In seiner Amtszeit werde es – so McCreevy – „keine weitere Initiative im Bereich computerimplementierter Erfindungen geben“. Er wies allerdings darauf hin, dass „die derzeitige Situation (…) europäischen Unternehmen sicherlich keinen Gefallen“ tue und machte sich deshalb für ein Streitregelungsabkommen (European Patent Litigation Agreement EPLA) stark, das das Europäische Patentamt in München vorgeschlagen hatte.
Verzahnung von Patentgericht und Patentamt
Hintergrund dieses Vorschlags ist, dass das Europäische Patentamt bereits bis heute zehntausende von Softwarepatenten – im Grunde widerrechtlich – erteilt hat. Kommt es in den einzelnen Ländern der EU nun zu einer Patentstreitigkeit, müssen nationale Gerichte den Konflikt entscheiden. Diese Gerichte neigen jedoch dazu, viele der erteilten Patente nicht anzuerkennen. Mit dem EPLA soll nun ein EU-Patentgericht geschaffen werden, das als letzte Instanz über die Rechtmäßigkeit von Patenten entscheiden und auf die European Patent Organization EPO aufsetzen soll, die hinter dem Europäischen Patentamt steht.
Zu nah am Patentamt
Kritiker aus den Reihen der Sozialdemokraten, Grünen und der Vereinigten Linken stellen sich mit ihrem Entschließungsantrag hinter die Gegner von Softwarepatenten und befürchten wie diese eine zu enge Verzahnung zwischen dem neuen EU-Patentgericht und dem Europäischen Patentamt. Sie werten das Patentgericht als eine Instanz, die die umstrittenen Entscheidungen des Europäischen Patentamts nachträglich legitimieren und somit den Befürwortern von Softwarepatenten in die Hände spielen könnte. Solange die „lockere“ Patentvergabepraxis des Europäischen Patentamts nicht wirksam eingeschränkt werde, sei ein solches Gericht abzulehnen.
Hohe Streitkosten
Kritisiert werden auch die hohen Streitkosten, die im Konfliktfall anfallen würden. Das EPLA geht nämlich von Verfahrenskosten in Höhe von 90.000 bis 140.000 Euro aus. Das seien Summen, die kleine und mittlere Unternehmen nicht zahlen könnten, meint etwa die EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger von den österreichischen Grünen. Ähnliche Bedenken gibt es fraktionsübergreifend auch bei den Konservativen und den Liberalen.
Rechtliche Bedenken
Darüber hinaus sei die rechtliche Konstruktion des geplanten Patentgerichts überaus problematisch, erklären die Gegner des Gerichts in ihrem Antrag. Das EPLA basiert auf der European Patent Organization EPO. Mitglieder der EPO sind aber auch die Nicht-EU-Staaten Island, die Schweiz und die Türkei. Diese Länder gehören der EPO als Vollmitglieder an. Mit dem europäischen Patentgericht würde somit eine Institution geschaffen, in der EU-Richtlinien teilweise nicht gültig sind.
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