Haftet der Provider als „Störer“?
Im zu entscheidenden Fall hatte der international agierende Musikkonzern SonyBMG im Usenet die Raubkopie einer CD der Gruppe Silbermond entdeckt. Die raubkopierten Titel waren auch über die Server des Usenet-Zugangsanbieters United Newsserver erhältlich. SonyBMG beantragte deshalb eine einstweilige Verfügung gegen das Unternehmen. Begründung: Durch „einfache Filterprogramme“ lasse sich bereits der Zugriff auf die raubkopierten Titel der Gruppe Silbermond, an denen SonyBMG die Rechte besitzt, unterbinden. Der Zugangsanbieter unterliege deshalb den Grundsätzen der Störerhaftung. Ihm müsse untersagt werden, seinen Kunden den Zugang zu den fraglichen Musiktiteln weiterhin zu ermöglichen.
Prüfung technisch nicht machbar Das Landgericht München I mochte dieser fragwürdigen, weil die technischen Gegebenheiten vollständig ignorierenden Argumentation nicht folgen. Zwar unterliege United Newsserver wie jeder andere Provider gewissen Prüfpflichten. Solche Prüfpflichten könnten jedoch nur unterstellt werden, „wenn der mit ihnen verbundene Aufwand verhältnismäßig ist“, entschieden die Münchner Richter. Im vorliegenden Fall sei eine solche Prüfpflicht nicht gegeben. Es sei nämlich technisch völlig ausgeschlossen, die Inhalte, die im Usenet tagtäglich neu eingestellt werden, rund um die Uhr und vollständig zu überprüfen. Dabei handelt es sich um tägliche Datenmengen in der Größenordnung von rund 3,5 Terabyte.
Verhältnismäßigkeit
Die Richter am Landgericht München I bezogen in der Haftungsfrage eindeutig Position. „Der Diensteanbieter muss nicht jeden nur denkbaren Aufwand treiben, um die Nutzung rechtswidriger Inhalte zu vermeiden“, heißt es in der Urteilsbegründung. Vielmehr müssten die Bedeutung des Einzelfalls und der erforderliche technische und wirtschaftliche Aufwand sowie die Auswirkungen auf andere Teile des Dienstes und andere Nutzer im Verhältnis zueinander gesehen werden, erklärten die Richter. „Hiernach sind Maßnahmen zur Verhinderung des Zugriffs auf fremde Inhalte dann als unzumutbar anzusehen, wenn sie einen erheblichen Aufwand erfordern, ihre Wirksamkeit jedoch durch einen Zugriff auf entsprechende Informationsangebote über andere Netzverbindungen mit einem vergleichsweise geringen Aufwand umgangen werden kann“, so die Münchner Richter.
UseNeXT-Werbung und –Suche im Visier
In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das Oberlandesgericht Hamburg Ende Januar dieses Jahres noch völlig anders entschieden. Damals hatte die Musikverwertungsgesellschaft GEMA gegen den Dienstebetreiber UseNeXT erfolgreich eine einstweilige Verfügung wegen der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Musikdateien übers Usenet erwirkt. Beide Fälle besitzen jedoch entscheidende Unterschiede. Die GEMA hatte UseNeXT unter anderem vorgeworfen, seine kostenpflichtigen Usenet-Zugänge „mit eindeutigen Bezügen zu illegalen Tauschbörsen“ zu bewerben. Angepriesen würden insbesondere die Anonymität, Schnelligkeit und Sicherheit des Zugriffs auf die verfügbaren Inhalte. Zudem biete der Dienst eine besonders ausgefeilte Suchsoftware an, um Musiktitel und sonstige urheberrechtlich geschützte Dateien im ansonsten schwer zu durchforstenden Usenet mit seinen Tausenden von Newsgroups aufzufinden und komfortabel zu verwalten sowie herunterzuladen. UseNeXT hat gegen die Hamburger Entscheidung Rechtsmittel eingelegt.
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