Wikimedia Deutschland, Betreiberin der deutschen Ausgabe des Online-Lexikons Wikipedia, schwimmt im (Spenden-)Geld. Der steuerrechtlich als gemeinnützig eingestufte Verein hat allein im Jahr 2005 mehr als 120.000 Euro an Spenden eingenommen. Ausgegeben wurden davon lediglich rund 12 Prozent – meist für Reisekosten, Rechtsberatung und Veranstaltungen der Wikimedia. Der Rest der Spendengelder schlummert auf dem Vereinskonto und entwickelt sich für Wikimedia steuerrechtlich zum Problem. Denn das Berliner Finanzamt für Körperschaften I beschied dem Vereinsvorstand auf dessen Anfrage hin, dass erstens keine Gelder an den US-Wikimedia-Dachverband abgeführt werden dürfen und zweitens, das Geld „früher oder später“ für gemeinnützige Zwecke ausgegeben werden müsse. Ansonsten drohe dem Verein die Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
Kaum Transparenz
„Fördern Sie freies Wissen! Ihre Spende oder Mitgliedschaft hilft!“ – So wirbt die im US-Bundesstaat Florida ansässige Wikimedia-Dachorganisation u. a. via kostenpflichtiger Google-Anzeigen um Unterstützung für ihre Projekte – mit überragendem Erfolg. Auf ihren Webseiten listet die Wikimedia Foundation detailliert auf, wie viele Spendengelder sie wann erhalten hat und wofür die Gelder ausgegeben wurden. Beim deutschen Ableger der Wikimedia sucht man diese Transparenz vergebens. Lediglich der jährlich vom Vorstand herausgegebene Tätigkeitsbericht gibt einen allerdings nur groben Überblick über Spendeneingang und Mittelverwendung. Dennoch wird bereits so viel klar: Wikimedia Deutschland hat ein Finanzproblem. Der Verein hortet auf seinen Konten Spendengelder. Ihm fehlt offenbar ein Konzept, wie diese Gelder steuerrechtlich einwandfrei ausgegeben werden können.
Anfrage ans Finanzamt
Privatpersonen und Unternehmen spendeten dem gemeinnützigen Verein allein im Jahr 2005 mehr als 120.000 Euro. Von diesem Spendenberg wurden im vergangenen Jahr lediglich rund 14.000 Euro, also ca. zwölf Prozent der eingegangenen Gelder, ausgegeben – meist für Reisekosten der ehrenamtlichen Mitarbeiter, für Rechts- und Beratungskosten sowie für durchgeführte eigene Veranstaltungen. Der restliche Teil der Spendengelder blieb auf den deutschen Wikimedia-Konten liegen – ein Zustand, der dem Wikimedia-Vorstand bereits im letzten Jahr offenbar selbst unheimlich wurde. Durch seinen Steuerberater ließ der Verein beim zuständigen Berliner Finanzamt für Körperschaften I eine verbindliche Anfrage zur Rechtslage und den Handlungsmöglichkeiten stellen. Insbesondere war die Frage zu klären, ob Wikimedia Deutschland deutsche Spendengelder an die US-Dachorganisation Wikimedia Foundation abführen dürfe.
Keine Weitergabe von Mitteln in die USA
Das zuständige Finanzamt gab dem Wikimedia-Vorstand laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung nun eine eindeutige Antwort. Wikimedia sei in Deutschland als gemeinnützig anerkannt. Deshalb dürfen die Mittel auch nur für gemeinnützige Zwecke – und zwar in Deutschland - verwendet werden. Die „teilweise Weitergabe von Mitteln“ an die Wikimedia-Dachorganisation in den USA sei „nicht zulässig“, zitiert die Süddeutsche aus dem Antwortschreiben des Berliner Finanzamts an den Wikimedia-Vorstand. Dieser verbindliche Bescheid dürfte den deutschen Wikimedia-Vorstand in arge Erklärungsnöte bringen. Denn der US-Dachverband konnte beispielsweise am 5. September letzten Jahres den Eingang einer Spende von mehr als 30.000 Euro verzeichnen. Absender war die Wikimedia Deutschland.
Fragen an den Vorstand
Wikimedia Deutschland muss sich nun eine Reihe von Fragen gefallen lassen – u. a. nach der Glaubwürdigkeit ihrer Spendenaufrufe. „Die deutsche Wikipedia hat zwar gut 450.000 schlaue Lexikon-Einträge erstellt, aber noch keinen Text über die eigenen Probleme, das Spendengeld auszugeben“, heißt es etwa bei der Süddeutschen Zeitung. Zu klären bleibt daneben die Frage, wie der Verein die Überweisung von Spendengeldern an die US-Dachorganisation zu rechtfertigen gedenkt. Außerdem droht dem eingetragenen Verein die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für den Fall, dass der so genannte „Verwendungsrückstand“ nicht aufgelöst wird. Eine eindeutige Frist gibt es dafür allerdings nicht. Über die Ausgabe des mittlerweile angehäuften „Verwendungsrückstands“ bei den Spendengeldern hat sich der Vereinsvorstand aber offenbar schon Gedanken gemacht. Ab erstem Oktober wird es bei Wikimedia einen fest angestellten, bezahlten Geschäftsführer geben.
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