"Rockin' The Suburbs" - der Titel dieser ganz famosen CD ist nicht (!) Programm. Denn mit Klaviermusik lassen sich Vorstädte kaum erschüttern. Dafür braucht man krachende Gitarren, einen pumpenden Bass und ein hämmerndes Schlagzeug - und davon hat Ben Folds fast nichts zu bieten. Nur im Titelstück, dem Zehnten auf der Titelliste, dominiert die harte Rockgitarre - der Name ist hier (aber nur hier) eben doch Programm. Aber anders, als man denken könnte. Der Song "Rockin' The Suburbs" ist eine ironische Abrechnung mit dem Nu Metal, mit dem Rock eines Limp Bizkit oder mit dem Sprechgesang eines Eminem. Sie alle beziehen ihren Fan- und Ideenfundus eben nicht aus den Metropolen New York, Chicago oder Los Angeles, sondern aus der Ödnis und der Langeweile der amerikanischen Vorstädte. Sie sind "male, middle class and white" - und alle scheffeln sie mit ihren Songs das große Geld. Wie das geht? Ganz einfach, meint Ben Folds: "I take the checks and face the facts that some producer with computer fixes all my shitty tracks" - mit den fetten Schecks in der Tasche erträgt man die Tatsache leichter, dass sich die eigenen Songs nur deshalb so prächtig verkaufen, weil sie von irgendwelchen Produzenten am Computer zeitgeistgemäß aufgemotzt werden. Trotzdem staut sich auch bei den selbst ernannten Underdogs zuweilen Frust auf, der sich, so ist das nun mal, irgendwann entladen muss, und zwar verbal: "You'd better look out", warnt Ben Folds, "because I'm gonna say 'fuck'!"
Dass das Titelstück dieser CD erst beinahe ganz am Ende kommt, ist selbstverständlich Absicht. Denn "Rockin' The Suburbs" ist ganz und gar untypisch für die restlichen Stücke dieser großartigen CD - aber nur, was die Musik anbelangt, nicht jedoch im Hinblick auf die Texte. Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung bilden in den meisten Songs den Nährboden, auf dem Textzeilen wie die folgende prächtig gedeihen: "Good morning son, I'm a bird wearing a brown polyester shirt...". Musikalisch und textlich erstklassig ist auch die Abrechnung mit dem Bilderbuch-Hippy in "The Ascent of Stan". Treibende Kraft der meisten Songs ist Ben Folds Piano. Virtuos greift der Meister in die Tasten und zieht alle Register, die den erstklassigen Popsong vom Durchschnitt abheben: unerwartete Tempowechsel, geschickte Instrumentierungen, brillante Melodien, ausgefeilte Harmoniegesänge und eine ausgeklügelte, selbst in den gefühlvollen Balladen noch stimmige, weil nicht klischeebeladene Produktion. Wie heißt es doch so schön? "No filler - all killer!" oder: Langweilen kann man sich woanders! Neu ist diese Mixtur natürlich nicht. Auf "Zak and Sara" oder "Not the same" geht's zurück in die Siebziger des vorigen Jahrhunderts - das Electric Light Orchestra lässt schön grüßen. Auch die Beatles und die Beach Boys schauen mal vorbei, zum Beispiel auf "Fred Jones Part 2" und "Losing Lisa". Doch die großen Überväter heißen "XTC". Aber die kennt heute leider eh keiner mehr...
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