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Oasis: Heathen Chemistry


Oasis - Heathen ChemistryEine Band braucht drei große Alben, um in die Rock- und Popgeschichte für immer und ewig einzugehen. Sagt man. Wenn das stimmt (und es stimmt nicht!), hätten es Oasis bisher allenfalls zu Fußnoten in der fünfzigjährigen Geschichte des Rock'n'Roll gebracht: als Band, deren hochgelobtes Erstlingswerk "Definitely Maybe" das am schnellsten verkaufte Debüt aller Zeiten wurde, als Band, die mit dem genialen "(What's the story)Morning Glory" das am zweithäufigsten verkaufte Album in Großbritannien produzierte, und als Band, die es schaffte bei ihrem Gig im englischen Knebworth vor dem größten Publikum zu spielen, das jemals in Europa für ein Rockkonzert zusammenkam.

Oasis - Heathen Chemistry

Ach ja, und da waren auch noch die ewigen Streitereien zwischen den Brüdern Noel und Liam Gallagher, die besonders von der englischen Klatschpresse begierig aufgegriffen wurden, nicht zu vergessen zwei US-Tourneen, die aufgrund dieser Streitereien abgebrochen werden mussten. Fehlt noch was? Richtig! Der tiefe Sturz, den die Gallagher-Brüder in der Kritikergunst erfahren mussten: von den absoluten Lieblingen, denen Deutschlands Möchtergern-Kultautor Benjamin von Stuckrad-Barre gar sein Erstlingswerk "Soloalbum" verdankt, zu den Underdogs, für die jedermann nur noch Hohn und Spott übrig hatte. Das Motto lautete: Oasis? Nein danke! Die Kritiker drückten es nur anders aus.

Wurden an den ersten beiden Oasis-Alben gerade die Songs besonders gelobt, die unüberhörbar in der Tradition der Beatles standen, so hieß es nunmehr unisono: Oasis-Songs sind billige Beatles-Plagiate. Als dann auch noch mit "Standing on the shoulders of giants" ein ziemlich mittelmäßiges Oasis-Album auf den Markt kam, waren die Gallagher-Brüder auch kommerziell unten durch: Selbst in England verkaufte sich "Standing on the shoulders..." vergleichsweise schlecht.

Nun also steht ein neues Oasis-Album weltweit in den Regalen: "Heathen Chemistry" - dessen Songs übrigens schon Wochen vor der Veröffentlichung als Appetitanreger in den Internet-Musiktauschbörsen zu bekommen waren. Erstes Fazit: Oasis klingen immer noch, wie sollte es auch anders sein, nur nach... Oasis. Und das ist gut so!

Schon das erste Stück mit dem Nonsens-Titel "The Hindu Times", als Vorabsingle auf den Markt geworfen, ist ein großartiger Song, der alles hat, was man an Oasis lieben oder hassen kann: eine einprägsame Melodie, einen wundervoll rotzigen Wall of Sound, Gitarrenriffs direkt aus dem Paradies, Noel Gallaghers Stimme, die wie in alten Tagen die Silben genüsslich zerdehnt, und natürlich griffige Textpassagen wie "In and out my brain / running through my veins / you're my sunshine / you're my rain" - was bitte will man mehr? Etwa einen Song wie "Force of nature", ein schleppender Boogie im Stil eines Iggy Pop, oder "Hung in a bad place", ein typischer Oasis-Song, geschrieben allerdings von Gem Archer, neben Andy Bell einer der beiden Neuzugänge in der Band?

Typisch Oasis! So könnte man jeden einzelnen der elf Songs auf "Heathen Chemistry" beschreiben. Oasis klingen eben nach Oasis. Eine Ballade wie "Stop crying your heart out", eingängige Melodie, zurückhaltend produziert, kann so nur von Noel Gallagher stammen und wächst bei jedem Hören. Es ist eben doch musikalische Substanz da, Substanz allerdings, die wie immer kräftig aus dem übervollen Beatles-Fundus ("Songbird", "She is love", "(Probably) All in the mind", "Born on a different cloud") schöpft. Na und?

"Das Problem, das Oasis nun seit Jahren mit dem Rest der Welt haben, ist die überzogene Erwartungshaltung", meinte Oasis-Chef Noel Gallagher im SPIEGEL-Interview (SPIEGEL 27/2002) mit Recht und fügt hinzu, die Band hätte sich vielleicht nach dem überdimensionalen Erfolg der ersten beiden Alben trennen müssen. "Aber", schränkt Gallagher dann ein, "dazu habe ich zu viel Spaß am Rock'n'Roll." Und was sagt Rockkritiker Arne Willander am Ende seiner "Heathen Chemistry"-Kritik im Rolling Stone (Juli 2002)? "'Heathen Chemistry' ist reiner Rock'n'Roll, ernst, dumpf, lärmend und ganz und gar großartig." Dem ist absolut nichts mehr hinzuzufügen.

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