Sydney ist immer für eine Überraschung gut. Nicht nur, wenn man Emma Nunn heißt, in Sidcup bei London wohnt, neunzehn Jahre alt ist, einen gleichaltrigen Freund namens Raoul Sebastian hat, mit selbigem ins australische Sydney fliegen möchte und eben diesen Flug preisbewusst im Internet bucht. Durch einen kleinen Fehler bei der Buchung landete das Pärchen nämlich nicht down under, sondern auf dem Globus etwas weiter nördlich, genauer: Emma und Raoul verbachten ihren Urlaub in einer kleinen Stadt mit derzeit exakt 26.083 Einwohnern im Nordosten Kanadas auf der schönen Insel Cape Breton. Ihr Name: Sydney.
Emma hatte bei der Reisenbuchung per PC übersehen, dass es nicht nur ein Sydney gibt, sondern gleich zwei Städte dieses Namens, davon eine in Neuschottland, in Kanadas Nordosten.
Ihre Reise startete das Pärchen auf dem Londoner Flughafen Heathrow mit der Air Canada. Da die Air Canada auch nach Australien fliegt, fiel den beiden noch nichts auf. Misstrauisch wurden die beiden Urlauber erst, als ihr Flugzeug in Halifax, Neuschottland, gelandet war. Zunächst hielten sie diesen Stopp für eine Zwischenlandung auf dem Weg zur Südhalbkugel. Guter Dinge und in bester Urlaubsstimmung hatten sie noch vor der Landung das Einreiseformular für Kanada ausgefüllt und als Aufenthaltsdauer "zwei Stunden" angegeben. So lange sollte es laut Emmas detaillierter Reiseplanung dauern, bis ihr Flugzeug nach Sydney weiterfliegen würde. Emma und Raoul wurden auch nicht stutzig, als sie die kanadische Passkontrolle passieren mussten. Erst als sie für den Weiterflug nach Sydney eine kleine zweimotorige Maschine mit gerade einmal 25 Sitzplätzen besteigen sollten, kamen ihnen Zweifel.
"Ich bin ja nicht der größte Flieger in der Welt", erklärte Emma gegenüber dem britischen Daily Express, "aber ich konnte mir nicht denken, dass wir damit nach Australien fliegen würden."
Emma behielt mit dieser Ahnung Recht.
Ende gut, alles gut? Emma und Raoul flogen weiter nach Sydney, Cape Breton, und wollten dort in aller Ruhe ihren einwöchigen Urlaub verbringen. Das hat dann leider nicht geklappt. Die beiden kamen zwar tatsächlich in Sydney an. Doch die Nachricht von ihrem kleinen Missgeschick hatte sich mittlerweile wie ein Lauffeuer in den Redaktionen der nachrichtenhungrigen Boulevardpresse auf der ganzen Welt verbreitet. Reporter reisten flugs ins kanadische Sydney und belagerten das Pärchen auf Schritt und Tritt.
Geografiekenntnisse sind nicht nötig, wenn man in Sydney Ehrenbürger werden möchte. Sie sind gar eher hinderlich. Denn hätte Emma in der Schule besser aufgepasst, wären sie und Raoul niemals Ehrenbürger von Sydney, Kanada, geworden. Auch hätte Linda Connor, in Sydney für Tourismus zuständig, den beiden Urlaubern nie einen Gutschein für einen erneuten zweiwöchigen Aufenthalt einschließlich Flug geschenkt, und Andrea Batten, bei Air Canada für Kundenbetreuung verantwortlich, hätte dem verirrten Pärchen gewiss kein großes Abendessen spendiert.
Selbige Mrs. Batten nahm die beiden auf Cape Breton gestrandeten Urlauber beim Rückflug persönlich unter ihre Fittiche. Sie brachte Emma und Raoul zum Flughafen und setzte sie eigenhändig in die Maschine Richtung Heathrow.
Wie sang David Bowie einst so treffend? "Wir waren Helden - für einen Tag." - Emma und Raoul waren Helden für eine ganze Woche - danach verliert sich ihre Spur.......